3. Dezember 2024

Weniger ist mehr

Wer eine Laufbibel verfasst, der darf sich bald auch Laufpapst nennen. Die Religion von Dr. Matthias Marquardt, um im Bild zu bleiben, heißt Natural Running. Vor allem beim Thema Laufschuhe hat der Sportmediziner mittlerweile viele Jünger gewonnen. Denn falsche Schuhe, das weiß jeder Gelegenheitsjogger, sind die Hölle. Wie findet man aber den richtigen Schuh? Marquardt hat gemeinsam mit Carola Felchner, Expertin der Zeitschrift triathlon, „Das große Laufschuhbuch“ vorgelegt, das den Weg ins Läuferparadies vielleicht ein wenig einfacher macht.

laufschuhbuch

Nun aber Schluss mit den religiösen Bildern, denn die Auswahl des richtigen Schuhs soll keine Glaubenssache sein. Was Marquardt in seiner Laufbibel ohnehin anreißt, behandelt er in seinem neuen Buch in aller Ausführlichkeit. Er spricht sich natürlich gegen den Dämpfungs- und Stützwahn vergangener Jahrzehnte aus („Tiefer Fall des Hochbaus“) und auch gegen eine übertriebene Sprengung (Höhenunterschied von Vor- und Rückfuß), warnt aber auch davor, dass sich zum Beispiel ein untrainierter, stärker gebauter Kerl mit Fußfehlstellung seine Gelenke mit Natural-Running-Schuhen wohl endgültig ruinieren würde.

Schuh- und Lauf-Knowhow streift Marquardt kurz, ehe es ans Eingemachte geht: an die Schuhberatung. So oft habe ich das so ähnlich schon mal gelesen oder durchgeklickt, aber Marquardts „Weg zum Schuh“ wirkt fundiert. Hier lässt sich zum Beispiel der perfekte Sprengungswert ermitteln, Abriebmuster verschlissener Schuhe verraten auch viel über mögliche Fehlstellungen. „Weniger ist mehr“, heißt Marquardts These. Also: So viel Gewicht, Sprengung, Stützung wie nötig, so wenig wie möglich.

Das Team hat insgesamt 45 Klassiker und Neuheiten getestet, sortiert nach Natural, Tempo, Training und Trail. Der eine oder andere Schuh fällt dabei so glatt durch, wie er es in den einschlägigen Magazinen mit Blick auf die Anzeigenkunden wohl niemals tun würde. Ansonsten wird auch sehr anschaulich erklärt, warum Schuh X für den Läufer Y sehr gut geeignet ist, Läufer Z sich aber lieber einen anderen suchen sollte. Von daher wird dieses Buch nach dem Erscheinen der nächsten Laufschuhgeneration nicht so schnell veralten.

Meine ersten Käufe nach Lektüre des Laufschuhbuchs. Ich habe mich wenigstens auf eine Sprengung von jeweils acht Millimetern heruntergearbeitet.
Meine ersten Käufe nach Lektüre des Laufschuhbuchs. Ich habe mich wenigstens auf eine Sprengung von jeweils acht Millimetern heruntergearbeitet.

Denn wer die Test durcharbeitet, der weiß bald, welches Modell grundsätzlich für ihn geeignet ist und welches nicht. Ich habe es getan, bin mit einer Liste von fünf Modellen in meinen Laufladen gegangen – und habe dann neben einem Modell aus meiner Liste doch wieder noch ein ganz anderes Paar gekauft (das allerdings bei Marquardt nicht erwähnt wurde). Nach dem Motto des im Buch zitierten Professors Nigg: „Nimm das, was sich am bequemsten anfühlt.“

Fazit: Ein sehr informatives Buch, in dem genau zwischen sinnvollen Entwicklungen und Bling-Bling unterschieden wird. Wer nach der Lektüre einmal einen für ihn falschen Schuh im Laden lässt, hat den Kaufpreis schon wieder drin! Hier gibt’s auch den direkten Link zu Amazon
.

Wer sollte dieses Buch lesen? Bestzeiten-Jäger ebenso wie Genuss- und Fitnessläufer. Kurzum: Alle Läufer, die sich im Dschungel der 1000 Innovationen rund um den Laufschuh nicht verirren wollen und den Eindruck haben, dass es die ewig gleichen Puschen vielleicht doch nicht bringen.

Wer nicht? Barfußläufer und Traditionalisten, die ihrem Stammmodell treuer sind als ihrem Ehepartner.

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