Tiergartenlauf in Lüneburg – heute vor exakt zehn Jahren bin ich zum ersten Mal mitgetrabt. Bin danach offenbar zu müde gewesen, um noch ein paar Worte zu meinem Lauf zu schreiben. Aber die Gedanken, die ich mir damals über ein paar Mitläufer gemacht habe, sind erhalten geblieben. Nummer 3 habe ich lange nicht mehr gesehen. Nummer 1 ist als Läufer lange nicht mehr gesichtet, in der Politik aber aktiver denn je…
Alle Läufer haben eh eine Macke. Sagt meine Gute und die muss es ja wissen, denn sie ist mit mir verheiratet. Von daher trifft sich am Sonntag zum Tiergartenlauf des MTV Treubund die größte Selbsthilfegruppe der Stadt. Eine Stunde oder auch zwei durch den Wald jagen, während vernünftige Leute noch im Bett liegen oder frühstücken, das ist einfach nicht normal. Meine ganz persönliche Hitparade der größten Verrücktheiten:
5. Die Blender: Chic sieht sie aus, in ihrem nagelneuen, hautengen Lauf-Outfit in den aktuellen Modefarben, und auch die Sonnenbrille, ein echtes Schnäppchen, nur 199 Euro, steht ihr prima. Oder er da, mit einer Ausrüstung im Wert eines gebrauchten Kleinwagens am Leib, von der Pulsuhr mit GPS-System bis zu den mundgetöpferten Socken, auf die angeblich auch Haile Gebrselassie schwört. Und wie lässig sie laufen, zumindest auf den ersten 1500 Metern. Danach fühlen sie allmählich, warum sie niemals mit brandneuen Schuhen einen Wettkampf bestreiten sollten. Eine Woche später findet sich ihre Ausrüstung in der Regel auf dem Dachboden oder bei eBay.
4. Der Usain Bolt für Arme: 10,5 Kilometer sind 10,5 Kilometer. Und nicht 100 Meter volle Kanne mit 10,4 Kilometer Anlauf. Doch immer wieder gibt es Männer, die im Angesicht des Ziels zum Sprint ansetzen, vom Kind bis zur Walkerin alles niederwalzen, was im Weg ist, und keuchend die Verbesserung von Platz 387 auf Platz 384 zelebrieren wie einen Olympiasieg. Und sich fünf Minuten später über die Zerrung im Oberschenkel noch wundern.
3. Der Mit-Läufer: Er liegt Stunden vor dem Lauf auf der Lauer. Wer könnte seinen Sieg gefährden? Ist die Konkurrenz zu stark, verzichtet er auf eine Meldung, taucht aber urplötzlich im Wald kurz hinter der Spitzengruppe auf, rennt bis kurz vorm Ziel mit, um dann wieder wie vom Erdboden verschluckt zu sein – bis zum nächsten Lauf. Seine Rechtfertigung: „Wo ich schon mal hier bin, will ich doch wenigstens ein bisschen trainieren.“
2. Der entgegenkommende Politiker: Alle Freizeitjogger wissen, dass am Sonntag der Tiergartenlauf ist, und sind entweder mit dabei oder bleiben weg. Nur unser Volksvertreter ist rein zufälligerweise pünktlich an diesem Tag im Tiergarten unterwegs, rennt der ganzen Meute entgegen, damit jeder sieht: Schaut, das ist einer von uns. Komisch nur, dass man ihn an den anderen 364 Tagen im Jahr niemals laufen sieht.
1. Der Schummel-Schumi: Ach, die hohe Politik lässt ihm viel zu wenig Zeit fürs Training, er setzt Hüftgold an. Und soll alle Welt sehen, dass sein zweiter Vorname mittlerweile Schnecke lautet? Sein Trick: einem Kumpel den Zeitmesschip in die Hand drücken und mit dessen Ergebnis im Internet erscheinen. Hat beim Run for Help schon prima geklappt, wird doch bestimmt wieder keiner merken.
Aber ich werde am Sonntag genau hingucken. Schließlich freut sich jeder Läufer über andere, die eine noch größere Macke als er haben.