Was haben die drei Laufzeitschriften Condition, Running und Laufzeit gemeinsam? Alle Titel haben eine Rüge vom Deutschen Presserat erhalten. Und wenn man sich die auffällig ähnlichen Cover der drei Zeitschriften anschaut, dann ahnt man auch, warum.
„Besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material“, das wird im Pressekodex gefordert – in diesen drei Fällen ganz offenbar vergeblich. Peinlich für die Verantwortlichen, sicher aber auch für adidas: Die schönen Bilder mit den Sportsfrauen und den neuen Schuhen wurden offenbar großflächig verschickt. Drei Redakteure bedienten sich von diesem prall gefüllten Materialtisch, dürfen sich nun diesen Rüffel vom Presserat abholen. Und zwar vollkommen verdient, wie ich finde.
Auffällig ist, dass es eher Magazine aus der zweiten und dritten Reihe erwischt hat. Branchenführer Runner’s World etwa setzt in der Regel auf Sportmodels statt auf Promis und scheint diese auch in Eigenregie zu fotografieren. Da sind schon manchmal Schriftzüge lesbar, auffällige Logos erkennbar, alles wirkt aber insgesamt doch etwas dezenter und professioneller. Reklame wirkt doch am besten, wenn sie nicht gleich als solche erkennbar ist.
Wir Läufer sind doch erstens sehr großzügig, wenn es um unseren Sport geht, und zweitens leicht manipulierbar, wenn uns irgendjemand ewige Verletzungsfreiheit und Bestzeiten en masse verspricht. Habe ich nicht erst vor ein paar Tagen 45 Euro für Kompressionsstrümpfe ausgegeben? Aber bei aller Begeisterung sollten wir uns doch immer fragen: Wer testet hier Produkte oder preist sie an wie Sauerbier? Warum tut er das – um uns schneller, schöner, fitter zu machen? Oder vor allem, um selbst abzukassieren?
Der wilde Willi
Besonders wild treibt es der Running Willi. Die Geschichte liest sich zunächst toll: 34-jähriger Österreicher mit sechs Kindern nimmt durchs Laufen innerhalb von drei Jahren ab, rennt den Halbmarathon mittlerweile in 1:19 Stunden und hat ein Buch geschrieben, das im renommierten Südwest-Verlag erschienen ist und sich durchaus gut verkauft. Die Kritiken auf Amazon sind allerdings entweder euphorisch oder vernichtend – das machte mich schon etwas stutzig. Und dass der Mensch, der sechs Kinder hat und ein trainingsintensives Hobby dazu, pro Tag bis zu zehn Blogartikel schreiben kann, noch etwas mehr.
Was dort bisweilen für Unsinn verzapft wird, hat vor allem Flyingwilli detailliert zusammengestellt. Kurzversion: Man sollte sich von einem Mann, der seit drei Jahren läuft und als längste Strecke einen Halbmarathon aufzuweisen hat, nicht unbedingt Tipps für Marathonläufe oder Schwangere andrehen lassen. Der Junge hat wahrlich ein Lauftalent, das zum Beispiel ich nicht habe. Aber seine Ratschläge gehen häufig genug nicht nur knapp daneben.
Im aktuellen Artikel „Kann man schneller laufen lernen?“ schreibt Willi von einer vier- bis sechswöchigen Taperingzeit vor einem Halbmarathon (wäre blöd, wenn man eh nur einen Zehnwochenplan hat). Oder er rät dazu, einen Lauf 52 zu 48 zu splitten. Das bedeutet: Will ich eine 3:30 auf dem Marathon erreichen, muss ich mit einer 1:49:12 angehen und eine 1:40:48 drauflegen. Dagegen ist ja selbst Greifs Endbeschleunigung ein Kindergeburtstag. Richtig gefährlich wird es, wenn der Willi einem Gerd zur neuen Bestzeit trotz Fieber gratuliert. Wohin gehört man mit Fieber nach Meinung jedes verantwortungsbewussten Läufers? Ins Bett und nicht auf die Straße.
Wenn der Experte auf seiner Seite zig Artikel vom Laufschuh bis zum Rote-Bete-Saft (Bete, nicht Beete – einer der allerbeliebtesten Fehler nicht nur im Netz) verfasst und in aller Regel gleich eine Bezugsmöglichkeit mit entsprechendem Link anbietet, dann ist es um die „Unabhängigkeit“ des Autoren endgültig geschehen. Zahllose Beispiele, von dubiosen Gewinnspielen bis auf die Sponsoren zugeschnittenen Testergebnissen, sind bei Flyingwilli dokumentiert. Tja, ein Fall für den Presserat wird der rennende Will nicht. Aber er ist ein wundervolles Beispiel dafür, dass wir Läufer dem schönen Schein nicht blind vertrauen sollten.
Foto: meedia.de
Besser könnte ich es auch nicht zusammenfassen. Die regelmässigen Zuschriften, die ich erhalte, beweisen aber: Die Leser sind sehr aufmerksam. Blindes Vertrauen sieht anders aus. Also immer wachsam sein beim rennenden Willi.
running willi habe ich schon lange von meiner Liste gestrichen.