Montags am Abend trennen sich viele Scharnebecker Ehepaare. Denn die Ehemänner treffen sich zum Turnen der Montags-Männer-Abteilung, kurz MMA. Und das bereits seit 41 Jahren. „Damals haben wir noch an den Geräten geturnt“, erinnert sich Gründungsmitglied Wilhelm Cohrs (70). Mittlerweile pickt sich Übungsleiter Edwin Germer, allgemein nur Eddie genannt, „die Rosinen raus aus allen möglichen Sportarten“. Damit seine Schützlinge fit bleiben, körperlich und geistig.
20 Männer von Anfang 50 bis Mitte 70 haben sich diesmal in der kleinen Sporthalle eingefunden; unter ihnen meine Wenigkeit. Es ist eng und laut, denn zu erzählen hat jeder was. Und wenn sich da ein Neuling wie ich in die Runde mischt, dann wird der gleich mit freundlichen Ratschlägen überschüttet. „Nur
einmal mitmachen, das bringt gar nichts. Du musst am Ball bleiben“, höre ich da. Der Mann hat ja recht.
Als Lehrer will Eddie mit seinem Training auch die grauen Zellen anregen. Wir stellen uns im Kreis auf, klatschen im Viervierteltakt in die Hände, auf die Oberschenkel, auf die Brust in immer komplizierteren Folgen. In zwei Gruppen beginnen wir einen Klatschkanon – doch nach kurzer Zeit hat die zweite Gruppe die erste schon eingeholt. „100 Prozent will ich nicht erwarten. Ich muss schon sehr tolerant sein“, erklärt Edwin sein Motto. „Nur offensichtliche Fehler korrigiere ich.“
Koordination steht an. Wir dribbeln mit einem Basketball. Handwechsel. „Und wo guckt ihr denn hin ?“, mosert Eddie. „Nicht nach unten, nach vorn !“ Bald dribbeln wir mit dem Basketball, führen einen Tennisball am Fuß – und umgekehrt. Auch ich starre Löcher in den Boden, um nicht den Überblick zu verlieren. „Du musst mit den älteren Herren die gleichen Koordinationsspiele machen wie mit den Kindern“, erklärt Eddie, „damit auch das Gehirn beschäftigt ist.“
Dass die Muskulatur im fortgeschrittenen Alter erhalten bleibt, hält er für ebenso wichtig wie die Ausdauer, schon allein als Sturzprophylaxe. Er packt die Therabänder aus, danach geht es auf die Matte für ein paar Pilatesübungen. Bei Eddie heißen die Übungen allerdings nicht schön poetisch „streckende Katze“, sondern „sterbender Schwan, einbeinig“. Seine Männer machen diesen ansonsten eher bei Frauen so beliebten Fitnesssport bereitwillig mit.
„Wir waren schon bei der Gründung alles Leute, die sich bewegen, aber keinen Leistungssport betreiben wollten“, erzählt Wilhelm. Die MMA ist ein verschworener Haufen auch jenseits der Sporthalle. Die Männer feiern runde Geburtstage gemeinsam, unternehmen Radtouren oder Bergwanderungen, fahren bald ins Rheinland zum Karneval oder im Sommer nach Berlin. Vieles hat sich gewandelt. Nur die Liebe zum Prellball hat bei den Altvorderen vier Jahrzehnte überlebt.
Nachdem wir uns alle brav gedehnt haben, holt Eddie die Floorball-Schläger raus – eine Hockey-Variante, die ich mit überschaubarem Erfolg als Schüler ausprobieren musste. Entsprechend stümpere ich anfangs vor mich hin, während die alten Hasen zaubern wie Messi und Ronaldo. Nach meinem ersten Tor werde ich übermütig, knicke prompt um, muss unter die kalte Dusche humpeln. „Früher stand der Rettungswagen schon immer vor der Halle, wenn wir Hockey spielen“, meint jemand aus dem Hintergrund. Und ich glaube, das war kein Witz.
Eine halbe Stunde später in der benachbarten Kneipe lachen wir aber schon wieder alle. Ich erfahre nebenbei, warum die Scharnebecker Männer montags Ausgang bekommen. Ihre Gattinnen hüpfen nämlich parallel als TTT (Tolle Turntanten) in der Gymnastikhalle. „Eingeladen haben sie uns aber noch nie“, meckert Wilhelm. Halb so schlimm – die Männer wissen schon, wie sie mit Edwin die Zeit sinnvoll nutzen können.
Wie habe ich es verkraftet? Sehr gut, wenn Floorball nicht gewesen wäre. Ein aufgeschlagenes Knie, dazu eine überdehnte Sehne – zwei Tage bin ich nicht gelaufen.
Was haben Läufer davon? Die werden vielleicht einsam, verschroben und unbeweglich – gegen alle drei Läuferkrankheiten hilft die MMA vorzüglich.