Wer unter halbwegs menschenwürdigen Bedingungen wohnt oder arbeitet, der hat zurzeit kaum eine Chance, sich mit dem Covid19-Virus anzustecken. Doch vielleicht gibt es bald nicht nur die Massentierhaltung oder Hochhäuser, die für neue Corona-Fälle sorgen, sondern auch den Hamburg-Marathon. 14.000 Aktive sollen am 13. September losgelassen werden – und zwar nach den Regeln, die im“Organisations- und Hygienekonzept“ aufgestellt werden. Je häufiger ich dieses Werk gelesen habe, um so mehr frage ich mich: Geht’s noch?
Sicher: Jeder kann selbst entscheiden, ob er sich diesen „Spaß“ antun will. Wenn das aber schief geht, haben wir alle wieder ein Problem, gegen das der Lockdown im Landkreis Gütersloh ein Kindergeburtstag ist. Wenn sich alle 14.000 Leute aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland sklavisch an die Regeln halten, dann geht das schon irgendwie gut.
Und wenn nicht? Ein einziger Super-Spreader, das hat die Erfahrung gelehrt, kann bei einem Event dutzende Menschen anstecken. Viele von den 14.000 werden öffentliche Verkehrsmittel benutzen – das Gedrängel in der S-Bahn habe ich schon einige Male miterlebt. Und die Erfahrung lehrt, dass man gerade direkt nach einem Marathon empfänglicher als sonst für Krankheiten aller Art ist, weil das Immunsystem stark beansprucht wurde.
Abgesehen vom Risiko: Wenn ich mir das 40-seitige Konzept durchlese, dann frage ich mich, wo bei diesem Marathon noch der Spaß bleibt. Wenn ich im Startraum stehe und aufpassen muss, dass sich mir niemand auf 1,49 Meter nähert, dass mein Mundschutztuch richtig sitzt, dass ich niemanden aus Versehen überhole, dann frage ich mich, wo da das Marathon-Feeling bleibt.
Klar, ein Veranstalter muss Einnahmen haben, um zu überleben. Aber wenn das schief geht: Wie kommt das in Öffentlichkeit wohl bei Leuten an, die nicht zum Bundesliga-Fußball dürfen, nicht zum Oktoberfest und nicht in den Club, dann aber 14.000 Leute durch ihre Stadt rennen sehen?
Derweil hat sich auch der DLV Gedanken darüber gemacht, wie sich Laufveranstaltungen in Corona-Zeiten planen lassen. „Ideen und Impulse zur Organisation und Durchführung von Leichtathletik-Veranstaltungen“ heißt das Werk, das unter anderem die Austragung von Volksläufen ermöglichen soll. Start in Wellen, Verpflegung als Selbstbedienung, entzerrter Zieleinlauf, keine Medaillenvergabe – alles schön und gut und irgendwie vielleicht auch machbar. Fragt sich nur, welche ehrenamtlich arbeitenden Verantwortlichen sich diese Risiko antun wollen.
Wer Wettkämpfe unbedingt haben muss – okay. Ich dagegen bin froh, dass ich mir im Februar die Wasserschlacht von Amelinghausen angetan habe. Damit ich 2020 wenigstens einmal gegen die Zeit gelaufen bin.
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