Ich bewundere diese Leute, für die das Läuferleben ein langer, ruhiger Fluss ist. „Hach, war das wieder ein schöner Lauf“, säuseln sie grundsätzlich verliebt im Ziel, unabhängig davon, ob sie nun Erster oder Letzter wurden, ob die Sonne scheint oder Stürme toben. Amelinghausen war kein schöner Lauf für mich. Und das lag nicht an Amelinghausen, auch nicht am Lauf, sondern einzig und allein an mir. Frei nach dem großen Fußball-Philosophen Andi Möller: „Mein Problem ist, dass ich immer sehr selbstkritisch bin, auch mir selbst gegenüber.“
Und das ausgerechnet an dem Tag, an dem ich für meinen Arbeitgeber den LZ-Laufburschen mimen durfte. Zwischen meinen fröhlichen Vorschausätzen kurz vorm Start und dem jammerlappigen Auftritt nach der Zielankunft liegen gerade 21 Kilometer, von denen die letzten fünf wirklich keinen Spaß mehr gemacht haben. Denn nach 16 Kilometern, sinnigerweise auf Höhe der Oldendorfer Totenstatt, hisste ich endgültig die weiße Flagge. Jens vom Lauftreff hatte mich eingeholt und verabschiedete sich nach wenigen gemeinsamen Schritten leichtfüßig. „Ich kann nicht reden“, meinte er noch, als ich versuchte, ihn etwas an meiner Seite festzuschnacken. Ich dagegen konnte nicht mehr laufen.
Dabei hatte ich mir eine ebenso einfache wie sinnvolle Renntaktik für den Halbmarathon zurechtgelegt: ruhig beginnen, gleichmäßiges Tempo bei den beiden langen Runden um den Lopausee und zum Schluss Gas geben. Und die Realität? Ich begann zu schnell, war nach fünf Kilometern gut eine Minute schneller als geplant. Dafür brach ich mitten auf der zweiten Runde ein wie die deutschen Kicker beim 4:4 gegen Schweden, musste nach Jens noch ein paar Läufer passieren lassen. Am Ende war ich gut drei Minuten langsamer als vor einem Jahr in Amelinghausen und sieben Minuten langsamer als bei meinem Hausrekord. So schnell sollte mein körperlicher Verfall doch nicht einsetzen. Aber mir taten die Waden wirklich weh, später am Nachmittag hatte ich fast einen Krampf. Und abends bin ich gegen 22 Uhr eingeschlafen wie ein Baby.
Ursachenforschung: Lag’s vielleicht am Schnee? Unschlüssig bin ich immer wieder mal an den Wegrand gehüpft, dann zurück in die Mitte. Sollte man besser da rennen, wo noch die unberührte Schneeschicht liegt, oder den Trampelpfad nutzen? Egal, welche Methode ich nutzte: Ich rutschte immer herum. Vom ständigen Hin- und Herwackeln taten mir irgendwann sogar die Arme weh. Statt brav ein Läuferdreieck zu bilden, presste ich meine Hände immer näher an den Körper – ein zuverlässiges Zeichen dafür, dass ich am Ende meiner Kräfte war. Aber so früh? In Apeldoorn hielt ich fast problemlos einen 27-km-Lauf mit mehr Höhenmetern und wesentlich mehr Wind durch, hier in Amelinghausen fühlte ich mich wie ein Trampeltier, dem man die Wüste weggenommen hat.
„Die Form kommt noch, ganz bestimmt“, munterte mich einer der Adendorfer Oldies mit Blick auf meinen Marathon in neun Wochen auf. Nur wie? Die Grundlagenausdauer ist da – bei meinem ersten 28er bin ich noch locker durchgekommen. Aber: Es macht – zumindest bei mir – doch einen großen Unterschied aus, ob ich nun eine Pace von 5:00 Minuten pro Kilometer anschlage wie in Apeldoorn oder eine von 4:50, wie ich sie eigentlich in Amelinghausen vorhatte. Die Tempohärte fehlt mir einfach noch. Acht, zehn, zwölf Kilometer in meinem gewünschten Marathonrenntempo – das ist eben die 4:50 pro Kilometer – gleichmäßig laufen, das habe ich im Vorjahr doch schon besser hinbekommen als jetzt.
Nun, mit 24 Stunden Abstand bin ich wieder etwas ruhiger geworden. Wenn ein Rennen mal richtig daneben geht, dann kann ich ruhigen Gewissens beim nächsten, etwas besser verlaufenen Mal flöten: „Hach, war das wieder ein schöner Lauf.“ Ansonsten baue ich einfach drauf, dass am 28. April in Düsseldorf kein Schnee liegt.
Links: Hier geht es zu den Ergebnissen beim MTV-Lauftreff. Und auf LZsport gibt es eine schöne Bildergalerie.
http://www.lzsport.de/leichtathletik/nggallery/leichtathletik/wintervolkslauf-amelinghausen/