Ich liebe es, für ein paar Tage in einer wildfremden Stadt zu leben und quasi in sie hineinzutauchen. Und das geht, wen wundert’s in diesem Blog, am besten doch mit einer hübschen Laufrunde. Wo immer ich bin, warum auch immer ich dort bin – wenigstens einmal versuche ich, diese Stadt im Laufschritt zu erobern. Jetzt war Flensburg dran. Eine Stadt, die so ganz anders ist, als man sie sich vorstellt.
Die allererste Erkenntnis: Flensburg ist ganz und gar nicht flach. Die Bergstraße zum Beispiel heißt nicht umsonst Bergstraße. Zweitens: Es gibt praktisch keinen Wald in der Gegend. Eine nette Frau erzählte mir, dass sich die Flensburger Jogger am Lautrupsbach treffen: „Von dort aus kann man wunderbar immer geradeaus durchs Grüne laufen.“ Und drittens: Flensburg hat zwar ein Deutsches Haus, gilt aber dennoch nicht zu Unrecht als südlichste Stadt Skandinaviens. Wir sind nicht nur einmal auf Dänisch angesprochen worden.
Okay, ich lief also so früh los (für Ortskundige: vom Flensbed in der Bahnhofstraße nahe des Deutschen Hauses), dass ich in der Fußgängerzone noch niemandem auf die Füße treten konnte. Rathausstraße, Hafendamm und dann immer Richtung Norden bis hoch zur Ziegeleistraße. Und das „hoch“ kann man wörtlich nehmen… Die Abzweigung zum Lautrupsbach habe ich längst verpasst. Vielleicht könnte ich ja meinen nächsten Länderlaufpunkt sammeln, bis nach Dänemark durchtrainieren? Hm, dafür war ich leider auf der falschen Seite der Flensburger Förde, wie ich bald bemerkt habe.
Auf der richtigen wäre ich aber erst recht nicht glücklich geworden: Die Strecke nach Kruså, dem ersten und extrem hässlichen Ort nach der Grenze, war für Laufsport ungefähr so geeignet wie mein Körper für Rhythmische Sportgymnastik. So passierte ich noch die Marineschule Mürwik, Regierungssitz der Nazis in ihren allerletzten Tagen, das Kraftfahr-Bundesamt und schließlich den Redaktionssitz der Flensburger Nachrichten, ehe ich umkehrte und oben am Berg über die Mürwiker Straße wieder Richtung Südstadt lief.
Ich wollte eine Stunde laufen und war nach 58:30 Minuten wieder am Hostel – das war aber auch das einzige an „Planung“, das wirklich klappte. Ich kam weder nach Dänemark noch ins angebliche Flensburger Joggerparadies, sah dafür Prachtbauten und Reihenhaussiedlungen, historische Stätten und Einkaufzentren, unglaublich viele Tatoo-Studios (naja, wir sind ja an der See). Ich habe gelernt, dass das Kraftfahr-Bundesamt deutlich größer ist als das mittelalterliche Nordertor. Sightjogging ohne Stadtplan, ohne Ahnung und ohne ortskundigen Führer ist halt eines der letzten Abenteuer im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Hätte ich irgendeinen App-Firlefanz mit Antiverlauf-Garantie mitgenommen, wäre ich niemals in die Verlegenheit gekommen, mich zu fragen, in welcher Stadt oder in welchem Land ich denn gleich sein würde – aber hätte das wirklich mehr Spaß gemacht?
Leider nur war das Wetter so trübe, dass ich diesmal die Kamera erst gar nicht herausholte… Deswegen mein dezenter Hinweis – Fotos (zu einer wesentlich sonnigeren Jahreszeit): Wikipedia