Wann darf ich mich schon einmal mit einer Olympiasiegerin unterhalten? Heike Drechsler gab sich jetzt in und nahe Lüneburg die Ehre und nahm sich dabei auch Zeit für ein kleines Interview. Wir sind beide in diesem Jahr in die Altersklasse 50 aufgerückt – das verbindet…
Heike Drechsler wirkt schlank und fit wie zu ihrer aktiven Zeit als Weltklasse-Leichtathletin. Sport ist und bleibt der Beruf der zweimaligen Olympiasiegerin im Weitsprung, die für die Barmer Gesundheitskasse als Repräsentantin für Sport, Bewegung, Ernährung und betriebliches Gesundheitsmanagement unterwegs ist.
Ganz im Zeichen der Bewegung stand auch ihr Tag in der Region. Die zweimalige Welt- und fünfmalige Europameisterin, die mit 7,48 Metern immer noch den deutschen Weitsprung-Rekord hält, eröffnete in Egestorf beim Hotel Sudermühlen den ersten „Green Sport Parcours“, besuchte später die Volksbank Lüneburger Heide sowie den VfL Lüneburg.
Frau Drechsler, Sie feiern im Dezember ihren 50. Geburtstag. Haben Sie schon ein bisschen Bammel vor dieser runden Zahl?
Heike Drechsler: Ich finde das spannend und werde es bestimmt ordentlich krachen lassen. Man ist ohnehin so alt, wie man sich fühlt. Ich mach‘ immer noch viel Sport. Das hält fit, und man bleibt auch geistig aktiv.
Sind Sie denn noch auf Wettkämpfen im Einsatz?
Drechsler: Ich habe Hochleistungssport 27 Jahre lang bis kurz vor meinem 40. Geburtstag betrieben. Und es bedeutet mir viel, dass ich da gesund rausgekommen bin. Ich laufe immer noch gern, mache bei Veranstaltungen wie Firmenläufen mit und lege auch mein Sportabzeichen ab. Wenn andere aber schneller sind, habe ich damit kein Problem.
Wenn Sie heute die deutsche Leichtathletik-Szene betrachten – welche Typen sprechen Sie da besonders an?
Drechsler: Mir machen vor allem die Stabhochspringer Spaß, die eine tolle Show bieten und auch sehr erfolgreich sind.
Und was halten Sie von Diskus-Olympiasieger Robert Harting, der sehr gern mit Forderungen zum Beispiel nach einer besseren finanziellen Unterstützung für Sportler provoziert?
Drechsler: Ich finde es gut, dass es eine kritische Stimme gibt, die auch etwas für den Sport tun will. Unsere Strukturen sind halt schwierig. Es müssen sicher bessere Bedingungen geschaffen werden, damit man gut trainieren kann. Der Stellenwert der Trainer ist hierzulande nicht so hoch, da sollte der Verband lieber in der Verwaltung sparen.
Die Mitgliederzahlen im DLV gehen seit vielen Jahren stetig zurück. Wie lässt sich denn dieser Trend stoppen?
Drechsler: Die Strukturen an der Basis müssen halt auch stimmen. Es fängt schon damit an, dass es kaum noch Kampfrichter gibt. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass wenigstens die exististierenden Leichtathletik-Stadien erhalten bleiben. Und wir müssen mehr Wettkämpfe mit Showcharakter, etwa wie „Berlin fliegt“, schaffen.
Was halten Sie denn vom neuen Wettkampfsystem Kinderleichtathletik, mit dem der DLV den Nachwuchs besser erreichen will und wonach Kinder unter zwölf Jahren sich nicht mehr in den traditionellen Wettbewerben messen?
Drechsler: Das ist Quatsch, absoluter Blödsinn. Die Kinder wollen doch einschätzen, ob sie schneller sind als andere. Und sie sollten auch lernen, mit Niederlagen umzugehen.
Sie sind in der DDR groß geworden, saßen für die SED sogar in der Volkskammer, haben sich aber nach der Einheit vom System distanziert. War dennoch damals das Leben für eine Sportlerin einfacher?
Drechsler: Auf alle Fälle. Ich habe damals meinen Sport ausüben können, ohne mir um andere Sachen Gedanken machen zu müssen. Auf den Sportschulen wurde der Nachwuchs zudem sehr gut gefördert. Ich wünsche, wir hätten auch heute bundesweit ein solches System.