29. März 2024

Es lebe der Herbst

Der moderne Mensch traut sich ja kaum noch die 300 Meter bis zum Bäcker zu gehen, ohne nicht vorher einen Blick auf die Wetter-App zu werfen. 12 Grad, heiter bis wolkig, fast windstill – das ist doch das ideale Wetterchen, um sich nicht nur zwei Weltmeisterbrötchen zu holen, sondern die volle Packung Laufen. Seit Ewigkeiten habe ich keine lange Runde mehr jenseits der 20 Kilometer hingekriegt. Vor einem Monat noch war es viiiiel zu warm und drückend, in einem Monat sind schon wieder lange Hose und Stirnlampe angesagt. Aber wann, bitte schön, lässt sich sich denn besser laufen als an einem so schönen weiß-blauen September-Vormittag?

Ich Schelm kombiniere heute zwei bis drei alte Runden zu einer großen neuen. Einen Namen braucht der Kurs noch. Las ich nicht gerade im Mohrblog, dass allein die Verwendung der heiß diskutierten Vokabel „Thermomix“ die Klickzahlen durch die Decken gehen ließ? „Thermomix-Runde“ – hübscher Name, der aber leider rein gar nichts mit der Strecke zu tun hat. Also entscheide ich mich doch für „Das doppelte Evernchen“, weil ich mich erst Richtung Deutsch Evern, dann Wendisch Evern macht. Zwei Dörfer, kaum zwei Kilometer auseinander – vor rund 1200 Jahren, um mal mit meinem historischen Halbwissen aus Studentenzeiten zu prahlen, soll hier die Grenze zwischen den Deutschen und den Wenden verlaufen sein. Heute ist Deutsch Evern ein typisches Schlafdorf für Lüneburg-Pendler ohne besondere Eigenschaften, während Wendisch Evern noch deutlich von der Landwirtschaft geprägt – jaja, ich hör ja schon auf.

Was einem aber auf so einer langen Runde ansonsten durch den Kopf geht! Warum kenne ich diverse Leute, die Sommer, Herbst oder Winter heißen, aber keinen einzigen Frühling? Ich schaue später zu Hause auf verwandt.de nach und sehe mich bestätigt. In Deutschland gibt es zirka 59.000 Menschen mit dem Nachnamen Winter, 53.000 Sommer, 20.000 Herbst, aber komischerweise nur 1080 Damen und Herren namens Frühling. Dafür heißen immerhin 7700 Deutsche März, 29 April und fast 17.000 Mai. Merkwürdig.

Der Tiergarten sorgt für Abwechslung. Ein kleiner Steppke sammelt mit seiner Mutter Kastanien. Die ersten Blätter färben sich gelb, rot oder braun. In ein, zwei Monaten werden die Laubbäume kahl sein, was uns zumindest beim Lauftreff am Mittwoch eh nicht auffallen wird, weil es bald schon um 18 Uhr dunkel sein wird. Bäh! Genießen wir doch lieber die Sonne, solange sie sich noch zeigt. Zwischen Deutsch und Wendisch Evern lege ich einen kleinen Umweg über den Standortübungsplatz ein, Hach! Ich habe eine Eingebung, wie man sie wohl nur auf dem 13. von 24 Kilometern einer längeren Runde haben kann. Die Leute heißen mit Nachnamen nicht Frühling – sondern Lenz! Siehe da, fast 38.000 Träger dieses Namens finden sich in Deutschland.

In Wendisch Evern begrüßen mich erst ein paar Kühe, dann der Lärm eines Kinderfußballspiels, schließlich eine Katze, die neugierig mein Smartphone beschnuppert, es als weder jagdbar noch essbar einordnet und sich schnell wieder vom Acker macht. Die letzten Kilometer am höchst spannenden Elbe-Seitenkanal sowie durch meinen Hauswald ziehen sich ein wenig. Aber es ist doch schön, dass meine morschen Knochen einen Lauf jenseits der Zwei-Stunden-Marke auch noch akzeptieren. Und ich gebe Klaus Klages, dem berühmten (?) Gebrauchsphilosophen und Abreißkalenderverleger, zu 100 Prozent recht: „Gern macht man sich auf die Socken im September sich, sofern er trocken.“

Die Strecke mit wahnsinnigen 158 Höhenmetern ist selbstredend auf jogmap abgespeichert.

3 Gedanken zu “Es lebe der Herbst

  1. Mein Problem ist, dass ich zu Hause schon vergessen hab, was in meinem Kopf während des Laufens (mangels Laufen nehme ich in den letzten Monaten Langwandern oder Rad fahren) los ist. Aber nun hab ich hier viel über Nachnamen gelernt und hübsche Bilder von Orten gesehen, von denen ich noch nie gehört hab. Geschweige denn von den Landesgrenzen. Danke fein. 🙂

  2. It´s never too hot . It´s never too cold . You´re never too tired . You´re never to busy .
    Put your shoes on and run !!!

    P.S.: Hätte nicht gedacht das der rasende Reporter ein SCHÖN-WETTER Läufer ist …

    Habe eine tolle Langlaufstrecke für Dich : Meisterweg – Erbstorfer Landstrasse bis an den Kanal , dann auf der linken Seite immer den Kanal entlang bis Bad Bevensen ( ca. 32,5 KM ) , dann mit dem Metronom für 5,60 Euro zurück . Oder Deine Frau holt Dich in Bevensen ab und Ihr geht noch 2 Std. in die Sole-Therme zum Relaxen .

    Gruss
    Wolfgang

    1. Bad Bevensen und Kanal? Da muss ich noch dieses Trauma verarbeiten: http://saffti.de/wenn-es-genug-ist/ – eine Runde, auf der es ein bisschen Abwechslung gibt, ist mir dioch 1000x lieber.

      Aber gegen den Vorwurf des Schönwetterläufers muss ich mich doch wehren. Klar genieße ich das Wetter, wie es im Augenblick ist, ich bin aber schon manchen 30er im strömenden Regen gerannt. Wenn man eh schon nach ein paar Kilometern nass bis auf die Knochen ist, dann kann es ja nicht mehr schlimmer werden…

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