25. April 2024

Lesefutter mal vier

Verrückt, auf wie viele unterschiedliche Arten man und frau über das Laufen schreiben kann. Vier Bücher, ausgeliehen oder billig auf dem Flohmarkt erworben, aktuell oder schon ein paar Jährchen alt, mit komplett unterschiedlichen Ansätzen wollen noch kurz besprochen werden. Ein Werk gefiel mir sehr gut, eines überhaupt nicht – und die beiden anderen lagen irgendwo dazwischen. Geschmackssache? Am besten lege ich einfach mal los:

trojanowIlija Trojanow: Meine Olympiade. Das Buch hätte ich mal kurz vor Rio in die Hand bekommen sollen. Trojanow schreibt über seine wachsene „Abneigung gegenüber dem Leistungssport“, kann mit dem „Kult des Siegens“ wenig anfangen. Das unterschreibe ich sofort. Schönes Beispiel aus Rio: Im Finale über 200 Meter Brust schwamm der Sieger lächerliche 0,88 Sekunden schneller als der Letzte. Und trotzdem wird der Erste gefeiert, der Zweite und Dritte dürfen mit aufs Podest, der Rest hat versagt. So will Trojanow den Sport ausdrücklich nicht sehen. Faszinierend findet er dagegen die über viele Jahre antrainierten Leistungen an sich – und hat sich deshalb vorgenommen, im Laufe einer Olympiade (jaja, liebe Besserwisser: Das ist die Zeit zwischen den Olympischen Spielen) das komplette Sommerprogramm durchzuziehen, verständlicherweise ohne die Mannschaftssportarten.

Er wird nicht alle Disziplinen schaffen, beschreibt aber auch die Kunst des Scheiterns so, dass die Ehrfurcht vor den sportlichen Leistungen um so mehr wächst. Etwa, wenn er davon erzählt, dass er es einfach nicht geschafft hat, im Canadier geradeaus zu paddeln. Der Marathon – er absolviert die klassische Strecke in Griechenland ohne spezifisches Training – gerät zu einer fast sechsstündigen Qual. Mit BMX kann er eher wenig anfangen („Gelegentlich versucht das IOC, dieser Klub alter Männer, sich dem jugendlichen Zeitgeist anzubiedern“), doch ansonsten schimmert fast überall ein großer Respekt vor der Leistung der Athleten durch. Ohne eine ordentliche Portion Selbstironie wäre dieses Buch kaum zu ertragen, so ist es aber ein Genuss.

boningWigald Boning: Bekenntnisse eines Nachtsportlers. Mit Selbstironie kennt sich auch Comedian Wigald Boning bestens aus. Was man ihm gar nicht so recht zutrauen mag, ist seine bunte Ausdauersport-Karriere. „Vom Totalversager zum Superhelden“ heißt ein typisches Kapitel. Schulsport als Trauma, Bewegungs-Legastheniker in den darauffolgenden Jahren – doch plötzlich macht es peng, und Boning entdeckt seine Leidenschaft für den Wettkampf, der Leiden schafft.

Es bleibt nicht beim Marathon. Boning treibt’s als Neu-Bayer immer wieder in die Berge, unternimmt mit deutlich besser trainierten Kumpels abenteuerliche Touren bis nach Südtirol, macht auch mal ein 24-Stunden-Mountainbikerennen mit. Und das alles aus purer Lust an der Freud‘ und um die eigenen Grenzen auszutesten. Bisweilen fand ich das alles nicht mehr lustig, sondern nur noch albern. Aber der Erkenntnisgewinn bleibt: Vielleicht sollten wir alle unseren Sport nicht so fürchterlich ernst nehmen.

duwe

 Klaus Duwe: 42 mal 42 – Marathon-Erlebnisse von Antaljya bis Zermatt. Unsereiner freut sich, wenn er ein oder zwei Marathonläufe pro Jahr schafft. Klaus Duwe hingegen beendete allein im Jahr 2007 insgesamt 42 Läufe über 42,195 oder auch deutlich mehr Kilometer. Vom City- bis zum Landschaftsmarathon, von steilen Läufen quer durch die Alpen bis zu Runden durch Zypern oder Marokko ist wirklich alles dabei. Duwe berichtet detailliert über die 42 Veranstaltungen, über die Organisation und den Streckenverlauf, über eigene Erlebnisse und Geschichten rund um den Veranstaltungsort. Wem das bekannt vorkommt: Duwe ist auch Initiator und Chefredakteur der Seite marathon4you.de/ mit tausenden von Laufberichten dieser Art.

Einiges hat sich im Laufe der Jahre natürlich überholt (z.B. existiert der Karstadt-Marathon längst nicht mehr), Viele der Reportagen ähneln sich zudem sehr. Und Duwe betont für meinen Geschmack ein bisschen zu oft, wie sehr er (im Gegensatz zu den hektischen Auf-Zeit-Wettkämpfern) seine Läufe genießt. Insgesamt aber macht die Lektüre von 42 Berichten dieser Art am Stück Lust darauf, mal neue Läufe auszuprobieren und nicht immer nur durch die Innenstädte der Metropolen zu rennen.

rieplHeidi Riepl: Faszination Marathon. Ach, was hätte man aus dieser Geschichte machen können! Die drei Untertitel verraten das Dilemma: „Die besten Tipps“ – „Die schönsten Strecken“ – „Mit Rekordläufer Gerhard Wally“. Drei Themen, die in diesem Buch nicht so richtig zueinanderfinden wollen und die letztlich alle drei nur oberflächlich angerissen werden.

Wally ist mit mehr als 500 absolvierten Marathon-Läufen österreichischer Rekordmann. Was ihn aber antreibt, wie er trainiert, wie er sich bei den Läufen fühlt, davon erfährt der Leser leider so gut wie nichts. Anekdoten werden statt dessen aneinandergereiht. Immer wieder erzählt der Macho von hübschen Frauen, mit denen er die Rennen absolviert. Die Tipps lassen sich in einem einfachen Satz zusammenfassen: „Bleib‘ gelassen, was auch immer passiert.“ Und die angeblich schönsten Strecken finden sich überwiegend in Österreich.

Gut, gegen diese subjektive Sicht spricht ja nichts. Aber bei den Beschreibungen von Läufen, die ich selbst schon einmal absolviert habe, sind mir diverse Ungereimtheiten aufgefallen. Einige Beispiele: Der Kurs in Amsterdam führt definitiv nicht durch den Grachtengürtel. Auf Mallorca sind die Läufer auf der zweiten Hälfte praktisch unter sich – gute Stimmung am Ballermann sollte man lieber nicht erwarten. War die Autorin wirklich vor Ort? Und warum vergisst sie mehrmals Hamburg bei der Aufzählung der größten deutschen Marathon-Läufe?

Vielleicht ist Gerhard Wally doch ein freundlicher, sympathischer Mensch, der viel zu erzählen hat. Vielleicht bekommt er dazu noch einmal eine Chance.

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