27. April 2024

In der Not geht der Teufel walken

46 Kilometer habe ich neulich innerhalb einer Woche geschafft. Vier Einheiten – und dabei bin ich keinen einzigen Schritt gelaufen. Das darf ich nämlich nach wie vor nicht, weil die Leisten-OP immer noch ansteht. Vor lauter Verzweiflung habe ich mir Walking-Stöcker gekauft. Und: Inzwischen habe ich sogar Spaß an meinem neuen Training.

„Was haben wir früher über Walker gelästert“, meinte Alex, als ich beim Lauftreff mit meinem neuem Equipement aufgetaucht bin. Inhaliert habe ich einst die Polemik von Achim Achilles, Kostprobe: „Ihr seid doch nur Walker geworden, weil Ihr zu schlapp seid zum richtigen Laufen. Walking verhält sich zu Sport wie Peepshow zu echtem Treiben – alles findet im Kopf statt.“

Tja, ich stand vor der Frage: Walking oder nichts? Für einen knapp noch zweistelligen Betrag habe ich mir zwei Gehhilfen aus Carbon besorgt, ein paar Youtube-Videos geschaut und sehr bald meine erste Runde gestöckelt. Gaaaanz vorsichtig, damit ich mich nicht auf die Nase lege, mir irgendwas zerre oder mich sonstwie zum Gespött mache. An einem Spätnachmittag bei undefinierbar schlechtem Wetter auf Feldwegen, auf denen mir ansonsten im Schnitt eineinhalb Bauern pro Quartal begegnen.

Anfangs zog ich mir Blasen an den Händen zu – die Grifftechnik war noch nicht ganz ausgefeilt. Sehr bald traute ich mich auch auf etwas hügeligere Wege, nehme mittlerweile den Anstieg am Scharnebecker Schiffshebewerk ebenso mit entschlossenem Blick und noch entschlossenerem Stockeinsatz in Angriff wie die Weinberge rund um Saulheim.

Einer geht bei den Düvelsbrookern am Stock. Auch wenn ich die anderen nach gut 100 Metern schon aus den Augen verliere, ist es doch schön, wenigstens mal in der Gruppe zu starten.

Die Stöcker bringen tatsächlich etwas (und da denke ich nicht nur an die Kasse meines Sportgeschäfts). Ganzkörpereinsatz heißt das Zauberwort! Nach den ersten Einheiten spürte ich sogar einen Ansatz von Muskelkater in der Brustgegend. Habe ich meinen Puls bei der Nordic-Variante nach ein paar schnell gestöckelten Kilometern schon auf atemberaubende 110 steigern können, so ist mein Maximum ohne Stöcker bei knapp über 90.

Apropos Puls: Meine Leistenbrüche sind noch nicht operiert, weil bei einer letzten Voruntersuchung eine Herzrhythmusstörung bei mir festgestellt wurde, die ich wohl schon seit einiger Zeit mit mir herumgeschleppt habe, so schlapp wie ich seit fast zwei Jahren unterwegs war. Plötzlich musste ich Betablocker und Blutverdünner schlucken, fühlte mich unheimlich alt und krank. Da kann ich allen nur den Tipp geben: Wenn ihr beim Laufen plötzlich kurzatmig werdet und der Puls in die Höhe schnellt, dann lasst doch einfach ein EKG machen.

Nach einer Elektrokardioversion geht’s mir inzwischen deutlich besser. Nur das mit dem Laufen muss ich mir wohl bis tief in den April hinein weiter verkneifen. Der Wiedereinstieg nach dann gut einem halben Jahr Pause wird sicher nicht ganz einfach. Aber: So heiß aufs Laufen war ich, bei allem Spaß am Walken, schon lange nicht mehr.

Ein Gedanke zu “In der Not geht der Teufel walken

  1. Beneidenswert! „Heiß aufs Laufen“ ist so ungefähr das Gegenteil meiner (lebenslangen) Haltung zum Laufen! Ich komme schon in der ersten Minute außer Atem, es ist einfach nur eine Quälerei. Also übe ich „zügig gehen“, dass die Stöcke wirklich was bringen, erfahre ich in deinem Artikel. Scheint ja was dran zu sein.. 🙂

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