„Älter werden heißt auch besser werden“, hat Jack Nicholson gesagt. Nun, den guten Mann schätze ich zwar als begnadeten Schauspieler, doch als Läufer hat er sich meines Wissens keinen Namen gemacht. Irgendwann erreicht jeder von uns den Punkt, an dem er einfach nicht mehr besser werden kann. Viele hören spätestens dann frustriert auf, andere suche sich neue Ziele, nennen sich „Genussläufer“ oder laufen plötzlich lieber 50 Marathons pro Jahr langsam als einen schnell. Und ich? Muss erst einmal akzeptieren, dass ich jetzt wohl auch endgültig zu den alten Knochen gehöre.
Vor ein paar Tagen habe ich mich wieder einmal auf die Laufbahn getraut. Gut, dass es diesmal keine Zeugen gab. 400er wollte ich in Intervallen laufen, hatte mir als bescheidenes Ziel 1:32 gesetzt. Erste Runde: 1:40. Auweia. Zweite Runde, diesmal etwas forscher: 1:37. Und egal, ob ich von Beginn an Vollgas gab oder mir die Runde einteilte: Heraus kam nun zwölfmal in Folge irgendwas zwischen 1:36 und 1:38. Frustrierend. Ebenso war es mir in der Woche zuvor bei sechs 1000ern ergangen. Halbwegs flüssig kam ich wenigstens durch, aber gut zehn Sekunden langsamer als bei der gleichen Einheit vor einem Jahr.
Dann schaute ich mir mal an, wie sich die Zeiten auf meinen Lieblingsrunden, auf denen ich immer mal wieder die Zeit nehme, entwickelt haben. Hoch und runter ging es in den vergangenen Jahren eh immer je nach Wetter und Form, aber überall geht die Zickzack-Kurve zurzeit zackig nach oben – und das heißt, dass ich langsamer werde. Runden, die ich vor ein, zwei Jahren zum Beispiel locker in 1:15 Stunden gelaufen bin, beschäftigen mich jetzt 1:21 Stunden lang. Und langsam kann ich es auch nicht mehr auf die Regeneration nach dem Marathon (Juni) oder die Hitze (Juli, August) schieben.
Wie so oft findet man Erklärungen bei Peter Greif, dem alten Knochen aus Seesen. „Du verlierst über 10000 m oberhalb der 40 Jahre im jeden Jahr 30 sec“, zitiert er eine Faustregel. Und er selbst hat ermittelt, „dass wir ab einem Alter von 45 Jahren jedes Jahr 1 % an Leistung verlieren. Es sein denn, wir steuern durch verbessertes Training und Ernährung entsprechend entgegen.“ Immer mehr trainieren, immer besser essen, immer dünner werden – irgendwann hat man da aber auch sein Potenzial ausgeschöpft.
Zirka sechs Jahre steigert sich ein Anfänger fast automatisch, wenn er regelmäßig trainiert, allmählich das Pensum steigert, sich Knochen und Gelenke, aber auch der Kreislauf allmählich an den Sport gewöhnen. (Quelle? Hab ich leider vergessen…) Ich habe 2006 begonnen, 2008 bin ich meinen ersten Marathon gelaufen und habe meine Zeiten bis 2012 von Jahr zu Jahr deutlich gesteigert. 2013 verbesserte ich mich mit großem Einsatz um exakt 19 Sekunden, kurz danach bin ich auch meinen Halbmarathon-Hausrekord gelaufen – und seitdem geht’s nicht mehr voran. Dabei liefen beide Rennen alles andere als optimal. Und ich soll nie wieder schneller laufen können?
Nach Greifs AK-Leistungs-Rückschritt-Rechner werde ich auf dem Marathon pro Jahr rund zwei Minuten langsamer – wie soll ich da nur in der Alterklasse M80 den Weltrekord von schlappen 3:15 angreifen? Klar, ich könnte noch häufiger, länger und intensiver trainieren (da kenne ich aber eine Frau und zwei Kinder, die das nicht so gut finden würden – ach ja, hin und wieder muss ich auch mal ein paar Euro verdienen). Ich könnte zum Hungerkünstler mutieren. Ich könnte nach Kenia ziehen. Ich könnte der Lauf-Nerd werden, der ich niemals werden wollte.
Ich könnte aber einfach akzeptieren, dass ich mich mit meinen 51 Jährchen ganz allmählich an ein etwas ruhigeres Tempo gewöhnen sollte. Völlig frei von Ehrgeiz werde ich wohl niemals einen Volkslauf bestreiten. Wenn ich einen Zehner ganz locker angehe, dann jage ich spätestens nach sechs Kilometern doch wieder einen Vordermann. Und den nächsten. Und noch einen. Diese Art von Laufeinteilung ist jedenfalls für die Motivation eindeutig besser als das übliche schnelle Angehen und noch schnellere Einbrechen.
Die sympathischen Tipps auf der Seite Laufspass.com für Altersläufer werde ich jedenfalls gern befolgen, vor allem Punkt 3 (Weniger schnelle Einheiten!) und 5 (Nicht verbissen laufen!). Die Laufbahn wird mich so schnell nicht wiedersehen. Und eine Bestzeit werde ich in diesem Jahr bestimmt noch bejubeln – ich bin nämlich noch nie amtlich ausgemessene 25 Kilometer gelaufen…
Bis dahin halte ich es mit Robert Lemke: „Alt werden ist natürlich kein reines Vergnügen. Aber denken wir an die einzige Alternative.“
Fotos: wikipedia/jogmap.de
Ich bin ja immer froh, dass ich gänzlich ehrgeizfrei bin, da muss ich auch nicht trauern 😉 Aber bei dir hört sich das mit Ehrgeiz und Trauer auch noch nach „vernünftigem Ausmaß“ an. Du wirst schon deinen Weg finden und ganz bestimmt bis ins Greisenalter Spaß haben ,))