6. Dezember 2024

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

„Was war los 1991?“, fragt Blumenmond-Anja in die Menge für das Sammelsurium der 90er Jahre. Fürchterlich viel war los bei mir 1991. Ich zog in die Stadt, in der ich inzwischen wieder wohne. Ich bestand meine Examensprüfungen, stieg in den Beruf ein, mit dem ich noch heute meine Brötchen verdiene und den ich immer noch – oder schon wieder – liebe. Klingt alles nach einem vernünftigen Lebensplan. Aber 1991? Beabsichtigt war das Wenigste.

1991
Ich guck‘ mir ein Foto von damals an und denke: Wer war ich vor 24 Jahren? Mehr Haare als heute hatte ich. Ein paar Jahre vorher waren sie gefärbt, gelockt (das aber nur für wenige Wochen), deutlich länger oder fast schon so raspelkurz wie heute. Bunt liebte ich es schon zu Schulzeiten, als alle anderen Leute in Jeans und Bundeswehr-Parka in die Klassen kamen. Eine lila Hose (nein, nicht die vom Foto) habe ich auch heute noch im Kleiderschrank hängen, T-Shirts aller Art sowieso. Äußerlichkeiten halt. Mich hat auch fast jeder beim jüngsten Abi-Treffen mit gut 30 Jahren Abstand wiedererkannt. Soll ich darauf stolz sein?

Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert.“ „Oh!“ sagte Herr K. und erbleichte. (Bertolt Brecht, Das Wiedersehen)

1991 habe ich die Ente gekauft. Was habe ich sie geliebt und auch verflucht, wenn sie mal wieder liegengeblieben war. Im Spätsommer wich das GÖ auf dem Schild dem LG. Zu jener Zeit bin mit der Ente bis zu einem Kumpel nach Würzburg gefahren (damals muss auch dieses Foto entstanden sein), gemeinsam machten wir eine Spritztour durch viele unendlich hübsche Orte bis nach Ludwigsburg zu einer Modenschau, die Abschlussarbeit von angehenden Designern. Tolle Frauen überall, eine rauschende Fete, alles übernachtete kreuz und quer übereinander liegend auf Luftmatratzen, auf dem blanken Bogen, irgendwo, wo Platz war. Aber ich quasselte nur mit einer Wildfremden die ganze Nacht über frisch verflossene Lieben.

Denn 1991 war auch und vor allem, zumindest aus damaliger Sicht, das Jahr einer ganz mies verlaufenen Trennung – naja, die Einzelheiten gehören nicht wirklich in einen Laufblog. Mein Innenleben mit 27 glich jedenfalls dem eines Teenies. Abgehakt, mittlerweile. Aber es hat lange gedauert.

1991. Das Jahr, in dem ich leider den Sport meiner Kindheit und Jugend, das Schwimmen, endgültig aufgegeben habe. 27-Jährige, dieser Welt, lasst euch sagen. Das ist keine gute Idee. Rafft euch wenigstens hin und wieder zum Sport auf, bewegt euch! Den klassischen Ich-bin-jetzt-etabliert-und-habe-keine-Zeit-mehr-für-solche-Zappeleien-Speck habe ich nach und nach angesetzt. 1991 hatte ich schon das eine oder andere Pfund gegenüber meinen besten Zeiten zugenommen, bis 2006 sollten noch gut 15 Kilo folgen – eines pro Jahr, ist ja nicht so schlimm… Doch, es ist schlimm! 2006 begann ich aus der puren Not heraus zu laufen, weil ich mich mit und in meinem Körper absolut nicht mehr wohl gefühlt hatte.

Die Ente ist übrigens 1993 abgebrannt. Mitsamt der Werkstatt, in der sie stand. Darüber bin ich mittlerweile auch halbwegs hinweg.

2 Gedanken zu “Gute Zeiten, schlechte Zeiten

  1. Mir kommen ja heute noch hin und wieder die Tränen, wenn ich an meinen kleinen gelben Freund denke, den der TÜV mir weggenommen hat – aber so ein Tod in den Flammen ist ja ganz besonders bitter.

    Ansonsten habe ich diesen Beitrag auch sehr genossen – das war wirklich eine tolle Idee von Anja, so viele interessante Einblicke 😉

  2. Ach, was für ein grandioser Eintrag. Sorry für die späte Reaktion aber ich war verurlaubt.

    Ich fuhr wohl 1991 einen Nissan Micra. Aber so richtig geliebt hab ich wohl mein erstes Auto. Einen Fiat Uno.. neu.. mit Mäusekino (ganz viele Lämpchen, die möglichst nicht blinken) und 45 PS. Mit diesen 45 PS hab ich eine Fahrgemeinschaft mit 5 (in Worten: fünf) Personen bestritten, wovon drei keine kleinen Herren waren. Im Winter wurde es an der Ampel immer schlagartig kalt. Das Auto konnte nicht genug Wärme produzieren, ohne zu fahren. Hahaha.. heute beschweren sich Kollegen, wenn man mal mit 5 Personen in einem gehobenen Mitteklassewagen fährt.

    Danke noch mal fürs Mitmachen und jetzt ab in die Hall of Fame mit Dir.

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