6. Dezember 2024

Drei Jahre älter

In der neuen Saison soll alles ganz anders werden. Das ist nicht nur der Wunsch der allermeisten Fußballfans, sondern auch von Läufern. Immerhin, bei uns steigt niemand ab, man steigt sogar alle fünf Jahre definitiv auf – in die nächste Altersklasse. Mancher Crack hat im Winter sein Training arg schleifen lassen, während irgendwelche streberhaften Trainingsweltmeister aus den hinteren Reihen plötzlich vorbeiziehen. Und ich? Am Ende des alten Jahrs rumpelte ich über diverse Strecken wie ein HSV auf zwei Beinen, Ende November war der Ofen wirklich aus. Drei Monate später bin ich in Amelinghausen wenigstens mal ohne allzu große Einbrüche, Sinnkrisen oder Aufhörgedanken durchgelaufen. Das ist doch schon mal was.

Dabei gibt das Wetter zunächst alles, um einen schon zwei Stunden vor dem Start in den Wahnsinn zu treiben. Es ist kalt, aber nicht richtig kalt. Es ist feucht, aber nicht richtig nass. Ein bisschen windig, sicher sehr matschig. Ziehe ich kurz oder lang an (ich entscheide mich für langes Oberteil und kurze Hose mit viel Platz für meine Taschentücher), die neuen Trailschuhe oder lieber die ältesten Treter? Mütze, Tuch oder nichts auf dem Kopf? Ach ja, vor Ort ist mal wieder von Hochsommer bis Arktisexpedition jedes mögliche Outfit zu sehen. Viele bekannte, aber noch mehr unbekannte Gesichter aus fremden Galaxien wie Hannover oder Potsdam.

Bloß nicht zu schnell angehen, bloß nicht zu schnell angehen, bloß nicht zu schnell angehen, lautet mein Mantra auf den ersten fünf Kilometern. Bloß schnell weg hier, heißt es in dem Moment, in dem ich die Unterführung am Ende des Lopausees platziere. Dort nämlich erwartet mich „Musik“ in alles andere als dezenter Lautstärke: Ein Latin Lover jammert sich in Ekstase – was man halt so im Kurs „Zumba für Anfänger“ abspielt. „Die Musik kam sehr gut an bei den Teilnehmern“, soll Organisator Rüdiger Carlberg später behaupten. Drei weitere Male muss ich diese Höllen-Passage noch bewältigen: Ich höre erst einen Hit wie aus einer Großraumdiscothek in Holzminden, dann einen deutschen Schlager, dann – habe ich schon verdrängt…

Ansonsten laufe ich meine Runde ohne besondere Vorkommnisse, quäle mich nur ein bisschen auf der Gegenwind-Passage quer über die Felder und erfreue mich am Anblick der Heidschnuckenherde kurz vorm See. Und da hinten stehen sogar vier Lamas – nein, es sind nur gigantisch große Hunde einer mir unbekannten Rasse, die von Herrchen und Frauchen sichtlich stolz im Wald präsentiert werden.

Auf der zweiten Runde wird es richtig einsam um mich herum, nachdem die Zehner-Läufer Richtung Ziel abgebogen sind. Ich überhole noch einen einzigen Konkurrenten, dafür flitzt ein paar Kilometer vorm Ziel ein grüner Pfeil an mir vorbei. Ein Fußballer! Was für eine Schmach, kennt man die Kicker ansonsten doch eher als die Leute, die schnell angehen, aber noch schneller einbrechen. Immerhin: Er trägt einen Trainingsanzug vom SV Emmendorf, dem souveränen Spitzenreiter der Bezirksliga Lüneburg 1, der sich auch als besonders laufstark in Erinnerung gespielt hat.

Nach 1:42 Stunden und ein paar Sekunden habe ich es geschafft. Hm, vor drei Jahren war ich mehr als zwei Minuten schneller. Liegt’s am schlechteren Wetter, am fehlenden Tempotraining, am fehlenden Ehrgeiz – oder vielleicht einfach nur daran, dass ich inzwischen drei Jahre älter geworden bin? Ich tröste mich mit zwei Stück Kuchen, einer Bratwurst und der Tatsache, dass ich 2013 sogar zwei Minuten langsamer war als heute. Die zehn Zentimeter Neuschnee von damals muss ich ja nicht erwähnen.

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