26. Februar 2025

Eine Herzenssache

Ja, mich gibt es noch. Am Sonntag schaute ich beim schönen Wintervolkslauf in Amelinghausen als Reporter vorbei und musste mir nicht nur einmal anhören lassen: „Lange nicht mehr gesehen. Ich dachte schon, du bist weggezogen oder läufst gar nicht mehr.“ Höchste Zeit für mich, doch einmal meine Krankengeschichte zu erzählen. Wenn es einen anderen Läufer oder eine Läuferin gibt, die ich am Ende rechtzeitig gewarnt habe, dann hätte sich dieser Beitrag schon gelohnt.

Wo anfangen, wo aufhören? 2023 und 2024 waren für mich Jahre, in denen ich mehr Verletzungen und Krankheiten hatte als wahrscheinlich in meinem ganzen Leben zuvor. Vor allem aber hatte ich Herzrhythmusstörungen, wie ich leider erst nach mehr als einem Jahr mit diversen Zipperlein erfahren habe. Nach der Coronazeit wurde ich deutlich langsamer, was ich auf meinen abnehmenden Trainingsfleiß und auf mein Alter schob. Ich wurde deutlich kurzatmiger. Am Ende geriet ich schon kräftig aus der Puste, wenn ich mal durchs Treppenhaus in den 2. Stock gegangen bin.

Au weia. Ich schob alles zunächst auf eine verschleppte Borreliose, dann auf die Folgen eines kräftigen Infekts, sozusagen Post-Covid ohne Covid. Und meine Pulsuhr habe ich zweimal neu formatiert, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass mich ein einfacher Spaziergang schon auf Puls 150 setzt. Zu meinem Glück stand eine Leisten-OP an, in deren Vorfeld auch ein EKG fällig war. Und da bemerkte meine Hausärztin nach Sekunden: „Sieht ganz nach Herzrhythmusstörungen aus.“ Das war ein Schock.

Völlig platt nach meinen kaum 10 Kilometern bei der Heidestaffel 2023 – und damals noch ahnungslos, woran das lag.

 

Es gab da einen Nachmittag, kurz nach Neujahr 2024. Ich lag im Lüneburger Klinikum, mit irgendwelchen Medikamenten sollte mein Herz wieder ordnungsgemäß in Gang kommen. Ich lag ein, zwei Stunden, es tat sich nichts. Also musste ich meine Leisten-OP verschieben und erst einmal eine Kardioversion über mich ergehen lassen. Kurz zusammengefasst: Da wird ein Stromstoß durchs Herz geschickt, damit es wieder in den alten Takt kommt.

Klappte bei mir auch, zunächst jedenfalls. Im Januar hatte ich die Kardioversion, kurz vor Ostern wurde meine Leisten-OP nachgeholt. Dann war ich beim Wiedereinstieg ins Laufen nach gut einem halben Jahr Pause zu ungeduldig, habe mir gleich einen Muskelfaserriss zugezogen. Nochmals von vorn, diesmal etwas vorsichtiger: Wochenlang walkte und joggte ich im Wechsel, ehe ich mich wieder richtig ans Laufen traute. Drei Volksläufe absolvierte ich im Oktober, fühlte mich dabei wieder deutlich fitter als ein Jahr zuvor. Ich war der glücklichste Mensch.

Doch dann ging es wieder los. Ich lief locker meine Hausrunde – und der Puls pendelte sich nicht wie üblich bei 120 bis 130 ein, sondern bei fast 200. Ab zur Ärztin. Mittlerweile sah ich schon selbst auf dem EKG, dass die Zacken meines Herzschlags völlig unregelmäßig verteilt waren. Das Vorhofflimmern war wieder da. Zweite Kardioversion. Danach ein Gespräch mit einer Ärztin im Klinikum, die ich frage, wie hoch denn die Wahrscheinlichkeit für neuerliche Herzrhythmusstörungen sei. Ihre Antwort: „Bei Ihnen 100 Prozent.“

Es gibt eine Art Risikoindex für Schlaganfälle, bei mir liegt der Wert bei Null. Ich konnte einfach nichts mehr drehen an der Ernährung oder Bewegung, ich habe weder Bluthochdruck noch Diabetes, rauche seit 19 Jahren nicht mehr und saufe auch nicht. Und meine Blutfettwerte habe ich durch ein Medikament mittlerweile auch deutlich senken können. Es ist halt einfach genetisch bedingtes Pech. Was bleibt mir übrig? Eine Ablation, mit der weitere Störungen von Grund auf verhindert werden sollten.

Und noch eine Erinnerung: 2017 in Hamburg musste ich bei einem an sich lockeren 12-km-Lauf kurz vor Schluss plötzlich gehen, weil mir die Luft weggeblieben war. Kurz vorher war mein Puls schon unvermittelt in die Höhe geschossen.

 

Wenn ich mich so umhörte, erfuhr ich von immer mehr Leuten um die 60 herum, vor allem von Männern, denen es ebenso erging. Meist dünne Heringe, oft Läufer oder sonstige Ausdauersportler, die alles andere als der klassische Schlaganfall-Kandidat sind. Allen ging es nach der Ablation besser. Auch meine Ärztin sprach von einer Erfolgsquote in Höhe von 80 Prozent: „Und wenn es beim ersten Mal nicht klappt, dann machen wir das nochmals.“ Na, danke.

Drei Tage lag ich im Klinikum – der Eingriff erfolgte über meine Leiste, an dieser Stelle war ich ja schon Kummer gewohnt. Nach gut zwei Wochen fühlte ich mich so fit, wenigstens wieder walken zu gehen. Heute traute ich mich auf meine erste klitzekleine Laufrunde über etwas mehr als sechs Kilometer. Puls etwas höher als gewöhnlich, Pace deutlich niedriger – egal, es ist wieder einmal ein Neuanfang.

Inspiriert haben mich nicht zuletzt die Oldies, die ich in Amelinghausen bewundert habe. Die beiden Willis aus Adendorf, der Walter aus Winsen – alle in der Altersklasse M85 oder gar M90 am Start, immer noch aktiv über 5 oder sogar 11 Kilometer. Mit etwas Glück und Disziplin halte ich vielleicht wenigstens bis zur M80 durch. Dann hätte ich noch 20 Jahre vor mir, hätte in meiner „Laufkarriere“ noch nicht einmal die Halbzeit erreicht.

Zeiten sind mir inzwischen ziemlich egal. Und wenn es kein Marathon mehr wird, dann sind es eben halt Zehner, die mich herausfordern. Hauptsache Laufen, so lange es die Füße und das Herz erlauben. (Beitragsfoto: pixabay)

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