Wozu der ganze Ehrgeiz? Wozu immer alles aus sich rausholen, wenn ich doch auch locker laufen könnte, niemals mehr über Leistungseinbrüche und Erschöpfung klagen muss? So schnell wie zu meinen glorreichsten Zeiten werde ich eh nie wieder rennen. Beim Wintervolkslauf will ich es also ganz auf den Spuren von Balu aus dem Dschungelbuch mit Gemütlichkeit probieren. Ein Vorsatz, der nach dem Startschuss ungefähr drei Sekunden hält.
Amelinghausen ist eh immer der Lauf für mich und für viele andere, um zu sehen: Was kann ich eigentlich noch? Seit November regeneriere ich mehr oder weniger vor mich hin, habe meinen letzten Lauf gegen die Uhr (und die Folgen von drei Glas Scheurebe am Vorabend) vor fast fünf Monaten absolviert. Ankommen ist also alles in Amelinghausen, zumal Temperaturen um minus drei Grad, einsetzender Schneefall und knüppelharter Boden zusätzliche Schmerzen versprechen. Weitere Ausreden gefällig? Ich könnte von viel Arbeit und wenig Schlaf schreiben – glaubt mir ja eh keiner, also rein ins Laufgeschehen.
Ganz locker will ich also beginnen, aber wenn die anderen alle so schnell losrennen, als wenn das Kuchenbuffet in exakt einer Stunde abgebaut werden würde, dann muss ich mich wohl auch beeilen. O Wunder: Es läuft. Es ist gar nicht so windig wie befüchtet. Und mit meinem blauen Hoodie habe ich sogar die halbwegs richtige Kleidungswahl getroffen. Selbst das Gejammer von Nena am Ende des Lopausees (dort sind wieder Boxen zur Beschallung der wehrlosen Athleten aufgebaut) bringt mich nicht aus dem Takt. Was bin ich doch für ein Held.
Ab Kilometer sechs sammle ich sogar ein paar Leute ein, die mich zuvor keck überholt hatten. Meine Fresse, ich muss meinen Rücktritt vom Leistungssport auf Kleinstniveau doch überdenken. Nur die blöde Rampe kurz vorm Ziel – eigentlich lächerlich in ihren Ausmaßen im Vergleich zur südniedersächsischen Bergwelt, die ich zuletzt erkundet hatte – bremst mich wieder einmal ein wenig aus. Trotzdem: 49:55 steht auf meiner Uhr im Ziel, erstmals Sub50 in Amelinghausen. Boah!
Sollte ich vielleicht verraten, dass ich in den vergangenen Jahren fast immer den Halbmarathon gelaufen bin? Nö, ich sollte nicht. Dass ich aber in der Ergebnisliste mit einer 50:34 erfasst bin, macht mich zu dem Meckerrentner, der ich nie werden wollte. Die Auflösung: Irgendwann war die Zeitnahme mal kurzzeitig ausgefallen.
Und so verlasse ich Amelinghausen mit drei Stück Kuchen und einer Bratwurst im Bauch sowie mit der Erkenntnis, dass ich wohl doch noch nicht reif dafür bin, locker zu laufen. Schade eigentlich.