27. April 2024

Jammer nicht, lauf!

Wenn das Jahr 13 Monate hätte, dann wäre der November ganz bestimmt die böse Fee, die das Dornröschen verfluchen würde. Der vorletzte Monat im Jahr ist für viele der allerletzte, auch für Läufer. Immer ist es dunkel, kalt und neblig, jammern sie. Dabei hat der November vor allem ein Image-Problem. Er ist viel besser als sein Ruf, wie jetzt mein Lauf-Check, der sicher am kommenden Montag im ARD oder wenigstens in irgendeinem Dritten gesendet wird, auf meiner neuen Flugplatz-Runde ergeben hat.

Erst einmal der Helligkeits-Check: Der November ist leider der erste Monat nach der Umstellung auf die Winterzeit, leidet daher unter regelmäßigen Dunkelheitseinbrüchen weit vor 18 Uhr. Doch englische Wissenschaftler haben in einer Studie in 60 Ländern ermittelt, dass auf der Nordhalbkugel der Dezember und Januar noch viel dunkler sind, der Februar auch nicht unbedingt als Monat des Lichts durchgehen kann. Im November glänzt der Wald noch mit allen möglichen Farben von Gelb über Ocker bis Braun, im Dezember wird’s zunehmend kahler.

Der Witterungs-Check: Inzwischen ist es deutlich kühler als am 1. November, an dem ich noch im T-Shirt ein Fußballspiel besucht habe, das direkt nach dem Abpfiff mit der Entlassung des Gästetrainers noch eine überraschende Wendung erlebte. Wahrscheinlich war dem Vorstand einfach zu warm. Inzwischen aber tendiert die Gefahr von Hitzegewittern und schwül-heißem Waschküchenwetter gen Null. Läufer, die im Juli gern schlapp machen, wissen dies zu schätzen. Und irgendwann muss man ja auch mal seine langen Klamotten ausführen.

Der Länge-Check: Der November kommt einem vielleicht besonders lang vor, hat aber die handelsübliche Länge von 30 Tagen ebenso wie der April, Juni und September. Im Gegensatz zum Dezember bietet der November zudem allenfalls ein paar Vorläufer der größten Winterevent-Auswüchse wie Weihnachtsmarkt, Weihnachtseinkauf und Weihnachtslieder, dafür aber noch ein paar Traditionsveranstaltungen wie den New York Marathon und die Hitzacker Herbst-Härte.

Die Entdeckung der Langsamkeit

Was mir aber am November besonders gefällt, ist das Laufen ohne jeglichen Stress. Die alte Saison ist abgehakt, die neue noch unendlich weit weg. Ich will nicht nur, ich soll sogar (sagen alle Lauf-Päpste und auch die Gegenpäpste) ganz ruhig laufen und regenerieren. Bin ich in den letzten vier Wochen überhaupt mal schneller als unbedingt nötig gerannt?

Und im November verabschiede ich mich endgültig von alten Gewohnheiten. Seit Wochen wollte ich über meine durchaus ausbaufähigen Resultate im (noch) laufenden Jahr philosophieren, Schwachstellen in meinem Training analysieren und Besserung loben. Ich hab’s gelassen und laufe lieber einfach. Entdecke gerade ganz neue Gebiete.

Die Landstraße zwischen Lüneburg und Neetze ist mangels Fuß- oder Radweg für mich die natürliche Grenze meines Reviers, aber jetzt habe ich mich doch zumindest an den Rand der Zivilisation gewagt. Es geht über den Ebensberg hoch Richtung Nutzfelde, dann rechts zur Steinhöhe, dem höchsten Punkt Lüneburgs (stolze, hüstel, 88 Meter über NN und damit immerhin knapp 65 Meter über meinem Ausgangspunkt).

Wieder biege ich scharf rechts ab, lauf noch ein bisschen durch den Wald. Diesen Streckenabschnitt kennt man auch von der langen Runde beim Schiffshebewerklauf. Während jene Runde dann aber am Kanal entlang Richtung Scharnebeck führt, laufe ich geradeaus weiter – und bin ganz plötzlich nicht mehr im Wald, sondern mitten im Industriegebiet – was man halt in Lüneburg Industriegebiet nennt. Hier lässt es sich trotzdem toll laufen (ich muss kein einziges Mal über die Straße), es gibt viel zu gucken – und kurz nach der Theodor-Körner-Kaserne bin ich fast schon wieder zu Hause.

Eine Klasserunde über knapp 13 Kilometer, die ich auf Jogmap verewigt habe – ebenso wie ihre kleine 11-km-Schwester ohne den Ausflug bis zur Steinhöhe. Wollte ich nicht eigentlich noch darüber jammern, wie schlecht ich doch im April drauf war, wie wenig Zeit ich im Juli hatte und wie wenig Lust im September? Ach nee, ich lauf lieber.

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