29. März 2024

Jenseits von Giebel und Backstein

Lüneburg ist ja wirklich schön. Aber Lüneburg verändert sich zurzeit am Rand gewaltig. Neubaugebiete verändern den Charakter von ganzen Stadtteilen. Einige meiner alten Laufrunden haben sich mittlerweile erledigt, weil Zäune gezogen, alte Wege zugebaut und neue geschaffen wurden. Höchste Zeit mal für eine Laufrunde durch das neue Lüneburg, auf der ich manchen alten Weg neu entdeckt habe.

Mittlerweile kann ich wieder halbwegs laufen. Ich hatte offenbar eine Zerrung aus Leipzig nicht richtig auskuriert, quälte mich über Wochen – und sollte jetzt erst mal nur ganz ruhig laufen. Da bietet sich doch eine Fotorunde mit regelmäßigen Knips-Unterbrechungen geradezu an.

Ich beginne mit einem kleinen Schlenker durchs Hanseviertel. Die Bordsteinkanten sind dort immer noch nicht vergoldet, aber ansonsten wirkt auf der Hansestraße alles picobello und edel, für meinen Geschmack nur etwas zu bauklotzig. Sogar einen kleinen Fuß- und Radweg gibt es, der zum Tartuer Tor führt. Was sich irgendwann einmal dank Frischemarkt, Läden und Büros das Zentrum des Hanseviertels entwickeln soll, ist jetzt noch eine riesige Baustelle.

Ich biege ab, Richtung Lünertorstraße und Lösegraben, erreiche bald den frisch gepflasterten Weg Höhe Museum. Ein paar hundert Meter vom Rad- und Fußweg hatte die Stadt befestigen lassen, damit heftige Duelle auf den Leserbriefseiten der LZ ausgelöst. Ehe ich mir zusammengereimt habe, worum es bei der Debatte eigentlich geht, stehe ich schon direkt vor dem nächsten Großprojekt, dem Baugebiet An der Wittenberger Bahn. Wohnungen sollen hier zwischen der Bahntrasse und dem Stadtring entstehen. Zumindest Lärmschutzwälle und Straßen sind hier zu entdecken, erfreulicherweise führt jetzt ein neuer Fußweg direkt vom Bahnhof bis nach Wilschenbruch.

Apropos Wilschenbruch: Hier spielte der Lüneburger SK fast 110 Jahre lang bis März 2014 Fußball. Doch davon ist im Baugebiet Auekamp rein gar nichts mehr zu sehen. Wo mal auf dem A-Platz Schalke, der HSV und Bayern München kickten, ist jetzt schon ein asphaltierter Kreisel zu erkennen. Grundstücke kosten hier, wie man gerade lesen durfte, 300.000 bis über 400.000 Euro, auch junge Familien sollen schon Parzellen gekauft haben. Ich treffe Jonathan vom Triathlon-Team – wir reden über die Lüneburger Wohnungspolitik und stellen fest, dass wir beide keine jungen Familen kennen, die mal eben 400.000 Euro für ein Grundstück übrig haben.

Mittlerweile habe ich in Wilschenbruch die Ilmenau erreicht, treffe meine Gelegenheits-Mitläuferin Nina, die mir bis zum Posten 90 Gesellschaft leistet. Gut, dass ich vom Song Contest gestern wenigstens den Schnelldurchlauf und ein paar Liedchen mitbekommen habe. Wir finden null Punkte für Deutschland eigentlich okay, wenngleich einige andere Beiträge eigentlich sogar Minuspunkte verdient gehabt hätten, vor allem dieses englische Verbrechen am Swing. Wir einigen uns auf Lettland als ESC-Sieger der Herzen und hoffen, dass sich die albanische Sängerin nicht allzu schwer erkältet hat.

Ich renne allein weiter – und ahne am Waldrand mehr, als dass ich es weiß, wo ich gerade bin. Irgendwann erreiche ich ein paar Kleingärten, dann eine Straße namens Rehhagen – ich bin zwar in Lüneburg, aber an einer mir komplett unbekannten Ecke. Aber nach ein paar hundert Metern weiß ich wieder, wo ich bin – exakt auf der Straße, die ich sonst als Warmlaufstrecke für meine langen Runden benutzt habe. Gut vier Kilometer sind’s noch bis nach Hause.

Die letzte kleine Neubauecke passiere ich in der Dorette-von-Stern-Straße. Die letzten Wohnblocks wirken, als seien sie von Christo eingepackt. Vor der Haustür lauert schon Kater Fredi, der ganz offensichtlich Hunger hat. Das wenigstens verändert sich so schnell nicht.

Hier gibt’s den Link zur Strecke auf jogmap – 13,6 Kilometer lang und am besten an Sonn- oder Feiertagen zu laufen, weil an manchen Stellen sonst zuviel Verkehr herrscht.

3 Gedanken zu “Jenseits von Giebel und Backstein

  1. Eigenlicht ja nichts gegen einzuwenden, wenn man neue Gegenden erkundet. Komisch, wenn es in der Heimat ist. Hat Lüneburg so viel Zuzug oder woran liegt das? Ich lebe selbst in einem Ort, der von 2.500 auf ca. 7.000 Einwohner explodiert ist, ich bin eine der Zugezogenen. Die Einheimischen tun sich mit der Veränderung arg schwer.

    Ach ja.. wie sich Familien mit Kindern solche Grundstücke/Häuser leisten können bzw. wollen, ist mir immer schleierhaft. Ich würd mich nicht bis unter alle Arme verschulden wollen. Es geht viel mit den aktuell niedrigen Zinsen aber das muss auch nach 10-15 Jahren noch Bestand haben, wenn man umschuldet. Da wird hier im Ort auch das ein oder andere Haus wieder frei werden.

    Die Züge bei den Fotos find ich klasse, vor allen Dingen der ganz alte Zug. Käm ich gern mal mit der Kamera vorbei aber Lüneburg ist ne Ecke zu weit weg (wobei immer ne Reise wert).

    Schönen Gruß in den Norden.

    Anja

    1. Lüneburg ist vor allem wegen der Nähe zu Hamburg Zuzugsgebiet, außerdem ist die Uni gewaltig gewachsen. Mit den Veränderungen tun sich auch viele Ur-Lüneburger sehr schwer. Allerdings wird bezahlbarer Wohnraum in der Tat immer knapper: Wer es sich leisten kann, wohnt in Lüneburg oder in den Randgemeinden, vorzugsweise an der Autobahn Richtung Hamburg. Dagegen werden die weiter entfernten Orte im Landkreis oder auch in den Nachbarkreisen wie Uelzen oder Lüchow-Dannenberg vollkommen abgehängt. Interessant war die Runde für mich auch, weil der eine oder andere Verbindungsweg wirklich ganz frisch im Frühling angelegt wurde. Und herliche Grüße zurück!

  2. Siehste wohl – kaum rast man mal nicht im Affenzahn herum, schon kriegt man auch richtig was zu sehen beim Laufen 😉
    Danke fürs visuelle Mitnehmen auf deinen Lauf. Hat Spass gemacht mit dir 😉

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