19. März 2024

Kraft aus dem Powerhouse

Wer viel läuft, der hat keine Zeit für anderen Sport? Völlig falsch – gerade der sollte sich die Zeit für anderen Sport nehmen, um sich nicht allzu einseitig zu belasten. Mein Ausgleich heißt seit gut einem Jahr Pilates. Ich würde diese „Oma-Gymnastik“ (die wirklich alles andere als nur eine solche ist) gern auch vorstellen, wenn dies nicht gerade schon eine Kollegin getan hätte.

Zwei Anmerkungen vorweg. Erstens: Es mag auch gute Bücher und CDs zum Thema Pilates geben, aber unersetzlich ist ein Übungsleiter oder eine Übungsleiterin wie Birgit beim VfL Lüneburg, die wöchentlich ein neues Programm vorstellt, die mit Adlerauge korrigiert und selbst die kleinen Schummeleien bekämpft, die man selbst gar nicht bemerkt. Zweitens: Im Natural-Running-Training von Dr. Matthias Marquardt fällt zwar nirgendwo das Wort Pilates, seine Übungen für den Rumpf haben aber eine große Ähnlichkeit mit einem Einsteigerprogramm beim Pilates. Nun aber der Text aus der LZ – es handelt sich um eine Stunde bei Birgit, allerdings nicht mit meiner Gruppe:

 

Die Säge - jedes Mal wieder eine Wonne...
Die Säge – jedes Mal wieder eine Wonne…

Wer erstmals Pilates macht, merkt schnell: Hier werden ganz andere, bis dato weitgehend unbekannte, Muskeln beansprucht. Pilates trainiert die schwach ausgebildete Tiefenmuskulatur, insbesondere die tief liegenden Bauchmuskeln und die kleinen Muskeln rund um die Wirbelsäule. Eine klassische Übung: Auf den Rücken legen, Beine aufstellen, Bauchdecke einziehen, sodass sich der untere Rücken Richtung Boden senkt, Arme gerade neben den Körper ausstrecken, langsam aufrichten -und ebenso langsam wieder zurück.

Die Kraft für diese und alle anderen Übungen kommt aus dem so genannten „Powerhouse“, der Korsettmuskulatur vom Becken bis zum Brustkorb. Beckenboden und Bauchmuskeln werden während des Trainings „eingezogen“, so als ob man in eine zu enge Hose schlüpft. Aus der Mitte des Körpers sollen die Bewegungen kontrolliert werden.

Neu ist Pilates keinesfalls: Sein Erfinder, Joseph Hubert Pilates (1883 in Mönchengladbach geboren), starb 1967 in New York, hatte dort mit seiner Frau Carla im Gebäude des New Yorker Ballets sein Studio eröffnet. Viele Tänzer trainierten dort und schätzten seine neu entwickelte Methode, die auch Elemente von fernöstlicher Meditation und Selbstverteidigung enthielt. Anfang der 1980er-Jahre wurde sein Training wieder entdeckt und erlebte einen Erfolg, der bis heute seinesgleichen sucht.

Birgit Schalling ist Pilatestrainerin, gibt Kurse im Vital-Studio des VfL. Sie betont: „Die tiefe Ein- und Ausatmung ist wichtig. Joseph Pilates hat sich dabei etwas gedacht, schließlich war er Asthmatiker.“ Die 52-jährige Übungsleiterin kombiniert Pilates mit Yoga-Elementen, setzt auf fließende Bewegungen. „Außerdem ist Pilates auch eine Massage für die inneren Organe, da alle Übungen mit eingezogenem Bauchnabel absolviert werden.“

Inga (29) macht Pilates seit einem halben Jahr als Ausgleich zu Sportarten wie Segeln und Golfen. „Es ist etwas ganz anderes. Und es trainiert die Tiefenmuskulatur.“ Seit einem Jahr ist Manfred (61) dabei, auch er macht Pilates als Ausgleich zum Boxen. „Außerdem hilft es mir, die Muskeln zu strecken und zu dehnen.“

Seit bereits acht Jahren betreibt Susanne (48) den Sport. Sie schwört darauf, weil er ihr zu einer besseren Körperhaltung verhilft, beweglich hält und Rückenschmerzen lindert. „Ich habe früher unterschiedlichen Leistungssport gemacht, aber dabei längst nicht alle Muskelgruppen beansprucht, die man beim Pilates trainiert“, sagt sie.

Joseph Pilates selbst hat über seine Trainingsmethode behauptet: „Nach zehn Stunden Pilates fühlen Sie den Unterschied. Nach 20 Stunden sehen Sie ihn. Und nach 30 Stunden haben Sie einen neuen Körper“.

Stimmt das? Birgit Schalling lächelt. „Na ja, das ist vielleicht ein wenig übertrieben. Aber es ist schon etwas dran.“ Ein Blick auf Madonna, Uma Thurman und Cameron Diaz spricht ebenfalls dafür.

Und das sagt die Expertin…

Durch Pilates wird eine gute Kräftigung der Rumpf übergreifenden Muskulatur erreicht“, sagt Nicole Giese, die die Fitness-Serie der LZ als Expertin begleitet. Auch die kleinen Muskeln entlang der Wirbelsäule werden angesprochen, positiv seien zudem die sanften Bewegungen. Aber die Ärztin, die seit fast acht Jahren im Reha-Zentrum Lüneburg tätig ist, hält den Sport für wenig alltagskonform und nicht für alle geeignet. So rät sie Menschen mit einem akuten, also frischem Bandscheibenvorfall davon ab. Nach frischen Knochenbrüchen und Bauch-OPs eignet sich Pilates nicht. Auch bei Osteoporose-Patienten rät sie zur Vorsicht. Für Schwangere gilt: Kein Neueinstieg, aber wenn sie Pilates bislang praktiziert haben, können sie es weiterhin in Absprache mit den Übungsleitern tun.

Text: Silke Elsermann, Fotos: Hans-Jürgen Wege

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