Wo ist eigentlich das Dahlenburger Moor? Zum dritten Mal habe ich jetzt am Moorlauf teilgenommen, ohne auch nur ein Fitzelchen Moor auf dieser Strecke zu sehen. Ich sehe viele junge Läuferinnen und Läufer, aber nur wenige alte. Ein sehr einladendes Freibad. Viele Hühner. Vier Getränkestände auf 8,8 km und sehr viele gut gelaunte Helfer. Bloß Moor, das sehe ich nicht. Aber ich bleib‘ dran.
Nur acht Tage nach der Heidestaffel pappe ich mir schon wieder eine Startnummer auf den Bauch. Das hat drei Gründe. Erstens: Ich will unbedingt sehen, ob ich mein Rennen etwas besser einteilen kann als das in der Heide. Zweitens: Morgens um 10 Uhr ist es vielleicht nicht ganz so heiß. Und drittens: In Dahlenburg ist es immer nett, sehr familiär und auch für mich nicht so stressig, weil ich nicht im LZ-Dienst bin, sondern als Privatmann anreise.
Was mir sofort auffällt, sind die riesigen Gruppen, die vor allem das Internat Marienau und der MTV Embsen auf die Beine gestellt haben. Unglaublich viele Kinder, die drei Runden drehen, aber auch Jugendliche, die beim Hauptrennen mitmachen. Auch LSV und MTV Treubund sind mit einigen Cracks am Start. Aber wo sind die Routiniers, Leute wie ich?
Ich befürchte, dass viele Männer ab 50 den Volksläufen in der Corona-Pause abhanden gekommen sind (die Frauen waren in dieser Altersklasse eh nie stark vertreten). Einige haben ganz aufgehört, andere tun sich nicht mehr so viel Stress an. Von den mehr oder weniger großen Lauftreff-Gruppen, die vor ein paar Jahren noch überall zu sehen waren, keine Spur mehr. Von den insgesamt 127 Aktiven, die über 4,6 und 8,8 km an den Start gehen, sind exakt zwei Frauen und sechs Männer älter als ich…
Okay, damit ich nicht allzu alt aussehe, teile ich mir die Kräfte etwas besser ein als zuletzt bei der Staffel. In Lemgrabe überhole ich sogar ein paar, kurz danach lässt mich aber eine Frau stehen, die – so sagt es zumindest ihr Shirt aus – erst vor sieben Tagen am Women’s Run in Hamburg teilgenommen hat. Ich bin versucht, mich an ihre Fersen zu heften, zumal sie noch einmal die Schnürsenkel binden muss. Aber halt: bloß nicht übernehmen, bloß nicht einen unvorsichtigen Zwischensprint anziehen. Ich bleibe brav hinter ihr. Bis zum Schluss.
Ab Kilometer 5 spüre ich etwas Müdigkeit. Bei Kilometer 6 wird’s fies. Das Ziel ist schon in Sicht, der Trubel auf dem Platz ist zu hören. Aber wir müssen noch eine kleine Runde wieder raus aus dem Ort drehen. Hatte mir die Siegerin des 100-km-Ultralaufs nicht etwas von einem Mantra erzählt, das ihr beim Durchhalten hilft? (Das LZ-Video ist frei verfügbar – Ende des Reklameblocks.) Und ich Dussel frag‘ nicht einmal, wie denn ihr Mantra lautet.
Aber ich habe mir extra für Dahlenburg eins zurechtgelegt. „Zeiten sind egal, Zeiten sind egal, Zeiten sind sowas von egal“, summe ich vor mich hin. Und es wirkt tatsächlich. Ich bin zwar lahm, aber gleichmäßig lahm, breche Richtung Ziel endlich einmal nicht total ein und schaffe sogar die Runde auf der Tartanbahn des DSK-Platzes mit einem Lächeln.
Zur Belohnung spendiere ich mir Kaffee und zwei Stück Kuchen. Es gibt auch selbstgemachten Mohnstreifen, der noch leckerer ist, als er aussieht. Ich düse rüber ins Freibad, schwimme sogar noch ein paar Bahnen mehr in völliger Überschätzung meiner Kräfte. Zu Hause lege ich erst einmal ein ausgedehntes Mittagsschläfchen ein.
Aber was ist denn nun mit dem Moor? In allerbestem Bürokratendeutsch erklärt der Landkreis Lüneburg den Stand der Dinge. Mineralisierungsprozesse sollen gestoppt werden, Torfkörper konserviert und die Wiedervernässung vorangetrieben. Vor allem müssen aber, wie fast immer in der Kommunalpolitik, Fördertöpfe angezapft werden, damit es vorangeht. Ob ich nochmal einen Moorlauf erlebe, der seinen Namen wirklich verdient?