Neulich haben Kollegen sogar auf mich gehört. Dem einen riet ich, seine funkelnagelneuen Schuhe nicht unbedingt beim Firmenlauf einzuweihen. Dem anderen schlug ich vor, nicht jeden Morgen die gleiche Runde im gleichen Tempo herunterzuspulen. Und sie haben auf mich gehört! (Behaupten sie jedenfalls.) In der freien Läufer-Wildbahn herrscht hingegen absolute Taubheit, was Ratschläge und Tipps angeht.
Schon merkwürdig: Es gibt hunderttausend Foren für unseren Sport. Bei jedem Lauftreff und jeder privaten Runde mit zwei oder mehr Leuten drehen sich die Gespräche ums Laufen. Meinungsaustausch soll das sein? In aller Regel behält jeder Crack – und da nehme ich mich bestimmt nicht aus – seine eigene Meinung.
Der alte Goethe riet schon: „Rat zu geben ist das dümmste Handwerk, das einer treiben kann. Rate sich jeder selbst und tue, was er nicht lassen kann.“ Und Cicero wusste: „Niemand kann dich besser beraten als du selbst.“
Dabei gäbe es doch so viele Ratschläge zu verteilen. Wer kennt sie nicht, die Läufer, die einfach nicht auf uns hören wollen?
- Den Bastian (alle Namen mehr oder weniger frei erfunden – ein paar Mitmenschen dürfen sich aber gern wiedererkennen), der bei jedem Halbmarathon acht bis zehn Kilometer in unserem Windschatten läuft, obwohl er schon kurz nach dem Verlassen des Startbereichs rot anläuft und immer lauter schnauft, um am Ende eine Viertelstunde später ins Ziel zu humpeln als wir.
- Die Janina, die sich nach ihrem letzten Volkslauf im alten Jahr – meist Mitte September – mit einem fröhlichen „Tschüss – ich ruh‘ mich mal ein bisschen aus“ verabschiedet, ungefähr zu Ostern wieder beim Lauftreff auftaucht und sich wundert, wo denn ihre schöne Form geblieben ist.
- Den Ulf, der in der Marathonvorbereitung jeden, aber auch wirklich jeden langen Lauf so schnell wie möglich durchsprintet und sich wundert, dass er im Ernstfall spätestens bei Kilometer 35 völlig fertig ist.
- Den Hans-Jörg, der keinen Volkslauf im Umkreis von 100 Kilometern auslässt, auch auf der Bahn jede Kreismeisterschaft mitnimmt und absolut nicht verstehen kann, dass seine Knie-, Achillessehnen- und Hüftschmerzen gar nicht verschwinden, obwohl er vor vier Wochen sogar mal zwei Tage ausgesetzt hat.
- Die Anne, die sich vor jedem Training und jedem Fünf-Kilometer-Volkslauf ein paar Energieriegel und literweise Iso-Flüssigkeit reinwürgt, ohne Getränkegürtel nie auch nur eine Runde auf der Tartanbahn drehen würde, keinen Verpflegungsstand auslässt und immer noch nicht weiß, was sie gegen ihr Seitenstechen unternehmen soll.
Im Prinzip lassen sich alle Unarten auf zwei Weisen erklären: Man untertreibt es. Oder man übertreibt es. Und alle sollten es doch eigentlich besser wissen. Wie abnehmwillige Menschen, die sich dann doch lieber wieder die Curry/Pommes reinpfeifen als den Apfel.
Auf die Dosis kommt es an. Und auf den Blickwinkel. Schleifer Greif würde zu meinem derzeitigen Trainingspensum wohl nur „Zwei-Minuten-Ei“ einfallen. Meine Liebste hingegen verdreht die Augen, wenn ich zur dritten Einheit der Woche (am Sonnabend, nicht am Mittwoch…) aufbreche: „Du willst doch nicht schoooon wieder laufen?“
Ja, ich will. Und ich will dabei niemandem mehr einen Rat geben. Außer Leuten, die ausdrücklich um einen bitten. Die soll es ja auch geben.
Oh mein Gott, ich fürchte, ich bin Anne… 😉 Naja, Anne light. Sehr wahre Worte, deshalb versuche ich, das mit den Ratschlägen auf ein Minimum zu begrenzen, es sei denn, ich werde ausdrücklich gefragt, aber we kann schon immer seine Klappe halten…. 🙄
Hab Schoener Beitrag und so wahr.
Huch, ich bin – glaube ich – eine Mischung aus Janina und Hans-Jörg…
Ansonsten frage ich gerne um Rat – ob ich den annehme entscheide ich dann danach ob mir der Rat gefällt oder nicht 😉 – aber berate selber wirklich nur wenn mich jemand ausdrücklich darum bittet. Ich persönlich finde wenig schlimmer als die Menschen, die einen stets und jederzeit mit unerfragten Ratschlägen bombardieren…
Viele Grüße,
Thomas