25. April 2024

Nach dem Om geht’s zur Sache

Heute zählt nicht der Mangel, sondern die Fülle. Marion Moormann, Lehrerin in der Yogahalle Lüneburg, gibt für jede Stunde ein Motto aus. Ihre Schützlinge sollen diesmal vor allem darauf achten, was sie können – und
nicht darauf, was der Nebenmann oder die Nebenfrau vielleicht schon besser kann. Ein Leitsatz, der Leuten wie Oliver Kahn überhaupt nicht gefallen würde. Doch beim Yoga, das wird im Anfängerkurs ganz schnell klar, geht es nicht um „weiter, immer weiter“.

Eine Frau mit einer Mission: Marion Moormann will uns gelenkiger machen. Foto: Andreas Tamme
Eine Frau mit einer Mission: Marion Moormann will uns gelenkiger machen. Foto: Andreas Tamme

Zwei Ziele treibt die Teilnehmer im Wesentlichen in die Yogahalle. „Viele wollen vor allem herunterfahren. Andere wollen beweglicher werden“, erzählt Bettina Ziehe, die gemeinsam mit Marion Moormann Vinyasa Yoga anbietet. Hierbei stehen die körperlichen Übungen und die Atemtechnik im Vordergrund der indischen Lehre, weniger der geistig-philosophische Ansatz. „Vinyasa ist daher besonders für Männer geeignet“, betont  Bettina. In der Regel aber stellen die Frauen in ihrer Halle gut 80 Prozent des Teilnehmerfeldes. Diesmal sorgt meine Anwesenheit dafür, dass es aus Sicht der Männer nur noch 3 :6 steht.

Eine kuschlige Atmosphäre erwartet uns im alten Reitstall im Lünepark. Unzählige Kerzen sorgen für warmes Licht, Decken liegen bereit. „Seht nicht den Mangel, sondern die Fülle“, wiederholt Marion. Werden Übungen nicht korrekt ausgeführt, das spüre ich sehr schnell, korrigiert sie trotzdem mit einem entschlossenen Griff. Da geht es ja nicht um Mängel, sondern um Fehler. Ganz ruhig fängt es mit der „Stellung des Kindes“ an, wir liegen embryogleich auf der Matte, machen uns ganz klein.

Meine Fußgelenke, gelenkig wie eine Betonbrücke, schmerzen schnell. Aber halt, wir sollen ja die Fülle sehen. Ohne ein allzu schlechtes Gewissen zu haben, spreize ich die Füße ein wenig weiter auseinander. Alex Tesmer ist einer meiner beiden männlichen Mitstreiter, „Ich bin total unsportlich“, räumt er ein, „und habe etwas gesucht, wo ich mich trotzdem bewegen kann.“ Er landete irgendwann beim Yoga, hat sich mittlerweile schon  begeistert für den nächsten Kurs angemeldet. Denn: „Meine Beweglichkeit verbessert sich. Und ich finde die innere Ruhe. Man muss sich aber auch einbringen, etwa beim Mantra-Singen.“

Das berühmteste und einfachste singen wir auch bald im Chor. Ein langgezogenes „Om“. Marion Moormann steigert langsam, aber kontinuierlich die Schwierigkeit und das Tempo der Übungen: Sonnengrüße, Krieger, Bodenübungen, Drehhaltung und so weiter. Sollte ich jemals gedacht haben, dass Yoga gar kein richtiger Sport ist – längst hätte ich mir eine andere Meinung gebildet. Vor allem hinten im Oberschenkel zieht es immer wieder bedenklich. „Das kommt häufig bei Leuten vor, die viel Sport treiben und sich nicht regelmäßig dehnen“, erkennt Marion. Okay, ich habe verstanden . . .

Die Kursleiterin erläutert uns dabei immer wieder, wann und wie wir ein- und ausatmen sollten. Eine Sache, die bewusst und niemals automatisch ablaufen sollte, wie Bettina erklärt: „Entscheidend ist, dass Atem
und Bewegung zusammenkommen. Darauf legen wir den Fokus.“ Allmählich kommen wir zur Ruhe. Indische Musik ertönt dezent im Hintergrund, wir packen uns in die Decken. Ich bewundere noch die schöne Architektur des Raums im alten Reitstall, bald denke ich gar nichts mehr. „Nicht erschrecken“, höre ich plötzlich. Marion verteilt Lavendel-Lotion in meinem Nacken. Ein Hauch von Wellness-Hotel durchströmt die Yogahalle – doch sehr bald werden wir wieder in den Alltag entlassen. Und sind dabei ein ganzes Stück gelassener als 90 Minuten zuvor bei der Ankunft.

Wie habe ich es verkraftet? Direkt nach der Einheit habe ich mich gefühlt wie nach einer richtig kräftigen Massage. Am nächsten Morgen ließ sich die lange Runde aber wunderbar laufen.

Was haben Läufer davon? Gut gedehnt und beweglich lässt sich manche Verletzung vermeiden. Und eine starke Körpermitte, das ist ja auch keine neue Erkenntnis, fördert auch eine gute Haltung beim Laufen und im Alltag.

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