Einen Kaffee und zwei Stück Kuchen genieße ich nach dem Herbstlauf in Westergellersen. Andere verdrücken Wurst- und Käsebrötchen, Hotdogs. Die Kinder stürzen sich auf die Süßigkeiten. Hat das alles etwas mit vernünftiger Sportlerernährung zu tun? Natürlich nicht. Man muss ja auch nicht immer vernünftig sein, schon gar nicht nach diesem doch recht anspruchsvollen Volkslauf. Aber ein Grund, diesmal über das Essen und Trinken etwas länger nachzudenken, heißt Simone und kommt exakt 49 Sekunden vor mir ins Ziel.
Simone ist Veganerin und startet mit 50 Jahren gerade richtig durch. Wir haben uns schon vorm Lauf über ihren Weg zum Laufen und ihre Gründe für diese Lebensweise unterhalten – eine Geschichte für die LZ ist schon halb geschrieben. Letzte Eindrücke von ihr will ich in Westergellersen sammeln. „Ich warte dafür dann im Ziel auf sie“, erzähle ich morgens meiner Liebsten. „Bist du sicher, dass du vor ihr im Ziel bist?“, entgegnet sie. Ähem, nun ja, das war ich bisher immer.
Startschuss. Das Feld drängelt sich runter vom Sportplatz, um eine Ecke herum. Da sehe ich schon das giftgrüne Shirt von Simone vor mir. Ich beginne vorsichtig. Erstens wegen meines überschaubaren Trainingsvolumens in den vergangenen Monaten. Zweitens wegen der diversen Hügel, die ab Kilometer 7,5 auf uns warten. Ich schwitze bald in Shirt und Shorts und frage mich, wie das einige Leute um mich herum mit Jacken, langen Hosen und Mützen wohl aushalten.
Kurz, bevor es ernst wird, unterhalte ich mich mit den beiden Herrschaften links und rechts von mir. „Jetzt wird’s ernst“, sagt einer. „Jetzt kommen ein paar Berge“, stellt der andere nüchtern fest. „Jetzt beginnt der Lauf erst richtig“, meine ich. Einer rennt mir bald davon, den anderen lasse ich stehen. Nur Simone bleibt immer in einem scheinbar auf den Meter festgeschriebenen Abstand vor mir.
Der sechste und letzte Berg wird zur Charakterprobe. Ich könnte doch mal ein paar Schrittchen gehen… Nein, in zehn Minuten wird meine Volkslaufsaison beendet sein, da muss ich jetzt noch einmal auf die Zähne beißen. „Einmal Westergellersen gleich sechsmal Stellweg“, liefert mir meine Liebste später als ihre Überschrift. Stellweg – das ist das fiese Teilstück in Traisa, das allerdings schon auf dem vierten Kilometer geschafft ist.
Kann ich nicht mehr richtig gucken, oder entschwindet mir Simone allmählich? Da ist nur noch ein grünes Fleckchen am Horizont zu erkennen, bald gar nichts mehr. Ich fühle mich unendlich dick, obwohl ich mich in den vergangenen Tagen eigentlich auf Kürbissuppe und Salat spezialisiert hatte. Naja, und auf Weißbrot mit überbackenem Ziegenkäse. Und leckere Schokolade fand ich auch noch im Kühlschrank.
Okay, ich Tonne rolle also ins Ziel, während die leichtfüßige Simone sich schon längst für ihren Sieg feiern lassen darf. Und während ich das halbe Kuchenbüffet vernichte, erzählt sie von den Datteln, die sie gefrühstückt hat, und von der Banane, die sie sich mitgenommen hat. Höchste Zeit, mal die Ernährungsgewohnheiten zu hinterfragen.
Hey Saffti,
mach dir nicht zu viele Gedanken. Diese vegane Ernährungssache hilft meines Wissens nur Frauen – bei uns Männern würde das gar nix helfen. 🙂
Ich selbst schwöre auf traditionell bayerisches, fleischlastiges High-End-Carbo-Protein-Loading (sprich bevorzugt Schweinebraten mit Knödel) – und mir hat es bisher nicht geschadet. Und an Kuchenbuffets bin ich genau so zurückhaltend wie du – gelegentlich bade ich sogar in Mousse-au-chocolat und Panna cotta. 🙂
Also nicht zu viele Gedanken machen, es ist ja auch belegt, dass etwas Körperfülle in Kombination mit regelmäßiger Bewegung und Sinnesfreuden die Lebenserwartung deutlich steigert. Wir leben schließlich alle nur einmal…