21. November 2024

Ich muss doch nicht schnell laufen

Beginnen wir ausnahmsweise einmal mit dem Ende. Keine Stunde, nachdem ich das Ziel beim Junkernhoflauf in Thomasburg erreicht habe, ein paar dienstliche und noch mehr private Gespräche geführt habe, zwei Kuchenstücke verdrückt habe, ist hier alles praktisch schon vorbei. Die Siegerinnen und Sieger haben ihre Trophäen und Urkunden erhalten. Die Ergebnisse gehen gleich online. Und alle fahren mehr oder weniger zufrieden nach Hause. Hupps, Thomasburg ist definitiv nicht Traisa, wo Jugendläufe, Ehrungen und Tombola gefühlt bis in die Nacht dauern. Thomasburg ist ein Muster an Effektivität. Ein bisschen schade eigentlich – ich wäre gern noch etwas länger geblieben. Schön war’s aber trotzdem.

Nach einem Kilometer sehe ich noch sehr locker aus. Foto: Erwin Sawert
Nach einem Kilometer sehe ich noch sehr locker aus. Foto: Erwin Sawert

Das liegt nicht unbedingt an meiner läuferischen Leistung. Zum ersten Mal seit mehr als sieben Monaten traue ich mich auf die Langstrecke. Die misst in Thomasburg zwar nur 17,2 Kilometerchen, ist aber durchaus profiliert, wie die Experten zu schwafeln pflegen, also saumäßig hügelig. Sollte mich seit den Mörderbergen von Tossa de Mar eigentlich nicht mehr schrecken, tut es aber.

Lange bewältige ich mit dem Mantra „Ich muss heute nicht schnell laufen“ die Breetzer Berge, aber der fiese kleine Anstieg ab Kilometer 10 ist mir neu. Der wurde vor einem Jahr ehrenhalber in die Runde aufgenommen, damals war ich aber nicht gestartet – und keiner hat mich vor dieser revolutionären Veränderung der Route gewarnt. Die letzten Kilometer ziehen sich zäh hin. Falls ich jemals wieder einen halben oder gar einen ganzen Marathon laufen will, habe ich definitiv noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen.

Aber ich will ja nicht zu sehr meckern, Wunderdinge habe ich nicht erwartet. Und ich freue mich, dass ich zum dritten Mal im dritten Rennen des Jahres Platz vier in meiner Altersklasse belegt habe, exakt eine Sekunden hinter dem Dritten, dem ich gönnerhaft den Vortritt gelassen habe, weil ich eh keine Puste mehr für einen ordentlichen Sprint hatte. Es gibt ja genügend schöne Dinge zu beobachten: das wundervolle Wetter etwa, sonnig, windstill, nicht zu warm. Die unendlich vielen Helfer vom Thomasburger SV, der nur 200 Mitglieder hat, von denen aber mindestens 195 auf der Anlage sein müssten. Die im wahrsten Sinne des Wortes familiäre Stimmung – kenne ich hier überhaupt irgend jemanden nicht?

Und doch gibt es Überraschungen. Eigentlich kann ich doch schon ganz gut abschätzen, wer anfangs fürchterlich schnell flitzen kann, spätestens nach der Hälfte der Strecke aber noch fürchterlicher eingeht. Aber ein mir unbekanntes Mädel, das ein ganzes Weilchen kurz vor mir läuft, zerstört sämtliche Tipps. Erst denke ich: „Die biegt gleich mit den anderen Fünf-Kilometer-Läufern ab.“ Tut sie nicht. Dann denke ich: „Okay, jetzt biegt sie mit den Zehnern ab.“ Tut sie auch nicht. Tief in den Bergen denke ich: „Irgendwann kann sie dieses Tempo doch nicht halten.“ Nun, sie lässt sich nicht einfangen, sondern entfernt sich ganz im Gegenteil immer weiter von mir, erreicht exakt zweieinhalb Minuten vor mir das Ziel. Und sie erzählt mir später fröhlich, dass das ihr allererster Volkslauf gewesen sei. Uff.

Nun, alles redet zurzeit vom Hamburg-Marathon. Ich dagegen denke schon an den Roparun, der uns über Pfingsten wieder von Hamburg nach Rotterdam führen wird. Dabei kommt’s vor allem aufs Durchhalten an, weniger auf die Geschwindigkeit. Und das finde ich derzeit sehr beruhigend.

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