Volksläufe in heimatlichen Gefilden? Langweilig. Immer die gleichen Strecken. Immer die gleichen Leute. Immer das gleiche Ritual. So habe ich 2017 gedacht. Aus acht Läufen besteht der SALAH-Cup, zweimal nur bin ich mitgerannt. Und ich habe nichts vermisst. Oder doch? Die schönen Strecken. Die netten Leute. Und immer wieder das gleiche Ritual. Wie jetzt in Scharnebeck, der Station meines allerallerersten Volkslaufs vor elf Jahren.
Etwas immerhin ist diesmal anders. Erstens das Wetter. Scharnebeck, das bedeutet ansonsten grundsätzlich Schnee, Eis, Sturm und/oder Regen. Diesmal lacht die Sonne – vor allem über die Leutchen, die sich zu dick eingepackt haben und reihenweise schlapp machen. Zweitens begleitet mich die Läuferin auf Kleinstniveau erstmals zu einem Lauf im Norden. Kurz vorm Scharnebecker Schulzentrum erkennt die zwar nicht geborene, aber überzeugte Rheinhessin das Schiffshebewerk wieder. Nebenan auf dem Parkplatz hat sie vor drei Jahren mit Papa und Onkel ein Picknick veranstaltet und mich nicht eingeladen. Ich weiß, ich schweife wenig ab.
Also, komme ich mal zum Lauf. Ich bin locker, zu locker, stelle mich nicht, wie sonst üblich in völliger Überschätzung meiner läuferischen Fähigkeiten, viel zu weit vorn ins Starterfeld, sondern deutlich zu weit hinten an. Als ich den Sportplatz nach kaum 300 Metern verlasse, kommen die Schnellsten vom 10,5-Kilometer-Lauf fast schon wieder ins Ziel. Na ja, so demütigend ist es auch nicht, aber ein wenig fehlt mir doch die Power. Der Wille, mich zu quälen. Und überhaupt, finde ich diese Volksläufe in heimatlichen Gefilden nicht viel zu langweilig?
Nein, diese Heimspiele haben auch ihre guten Seiten. Ich kenne jedes Schlammloch mit Vornamen, weiß genau, dass die fies sich dahinziehende Steigung nach der übernächsten Kurve wirklich erledigt ist und kenne von den zehn Zuschauern auf der Strecke bestimmt neuneinhalb. Trotzdem werde ich am Kanal von einigen Leuten verblasen, die ich zwei Wochen zuvor selbst noch verblasen habe. Knut fliegt geradezu an mir vorbei. Der angeblich so formschwache Reinhard lässt mich auch stehen. Und ich lasse es geschehen.
Der letzte Kilometer bis hoch zum Sportplatz zieht sich elend dahin – so wie immer in den vergangenen elf Jahren, daran ändert auch das gute Wetter nichts. Vor mir kracht ein Bursche gut hundert Meter vorm Ziel ins Flatterband, im Ziel dann auf die Laufbahn. Sanitäter und Organisatoren sind aber schnell bei ihm. Die Rheinhessin dagegen galoppiert flink ins Ziel, auch wenn sie etwas anderes behauptet, und darf gleich bei ihrer SALAH-Cup-Premiere Platz eins in ihrer Altersklasse feiern. Etwas, was ich auch bei meinem 73. Volkslauf wieder nicht mal ansatzweise geschafft habe.
Zum Schnack trifft sich das dreiviertel Feld bald mehr oder weniger frisch geduscht in der Mensa des angrenzenden Schulzentrums. Spätestens nach dem Genuss der drei Kuchenstücke vom reichhaltigen Buffet bin ich mit dem SALAH-Cup versöhnt. Mit Scharnebeck sowieso. Und jetzt habe ich ein neues Ziel: Ich will als der erste Mensch in die Geschichte des SALAH-Cups eingehen, der ein Jahr lang immer nur Vierter in seiner Altersklasse wird. Sechs vierte Plätze fehlen mir noch.