19. April 2024

Baden im Applaus

Vorn stehen die Pokale. Und hinten sitze ich. Ein einziges Mal pro Jahr trifft sich die Läuferschar nicht, um je nach Ehrgeiz gemeinsam oder gegeneinander durch den Wald oder über Felder zu wetzen. Nein, in Adendorf steht die Siegerehrung des SALAH-Cups an. Vorn stehen sehr bald die Sieger. Und hinten bleibe ich weiterhin sitzen.

Der SALAH-Cup besteht aus neun Volksläufen im Landkreis Lüneburg. Der Name steht für die fünf Orte, in denen er ursprünglich mal stattgefunden hatte – Scharnebeck, Adendorf, Lüneburg, Amelinghausen und Hohnstorf. Mittlerweile haben sich ein zweiter Lauf in Amelinghausen, Thomasburg, Bleckede und Westergellersen dazugesellt, auf eine Umbenennung des Wettbewerbs in SALATWABH-Cup hat man dankenswerterweise aber verzichtet. Wie auch immer: Wer mindestens fünf der neun Läufe finisht, kommt in die Wertung, für die allein die Platzierung in der Altersklasse zählt.

Wenn ich mich so umschaue, wer da in Adendorf neben mir steht oder sitzt, sehe ich die Zukunft der deutschen Gesellschaft. Kaum jüngere Menschen, dafür umso mehr Silberrücken – diese jedoch deutlich schlanker und durchtrainierter als die Durchschnitts-Sofakartoffel, die sich jetzt zu Hause den Bundesliga-Frühschoppen auf Sport.1 reinzieht.

50 Volksläufe pro Jahr

Mit 50 gehöre ich hier zum Mittelalter. Die Altersklasse M50 bietet selbstredend das größte Feld – neben mir haben noch 20 weitere Kerle die fünf Läufe geschafft. Und endlich lerne ich Frank persönlich kennen, den Superläufer, der in meiner AK neunmal startete und neumal siegte. Bei den Läufen war er ja meist schon über alle Berge, ehe ich die Startlinie überschritten habe. 50 Volksläufe absolviert er pro Jahr, erzählt er. Meine Güte, ich habe jetzt in den acht Jahren meiner fabelhaften Karriere erst 48 Läufe geschafft – und noch keinen einzigen davon in meiner Altersklasse gewonnen.

Die vier Herren aus der M75, die ich nicht rüstig nenne, weil es eine Beleidigung für diese Sportskanonen wäre, sind vollzählig erschienen. Die vier Jugendlichen, die insgesamt in die Wertung gekommen sind, auch. Dafür klaffen bei den Jahrgängen dazwischen mehr oder weniger große Lücken. Wer auf Platz 13 oder 18 seiner Altersklasse gelandet ist, der legt in der Regel doch nicht einen so großen Wert auf die Urkunde und das Baden im spärlichen Applaus. Wenige von den Siegern fehlen auch – die trainieren wahrscheinlich lieber schon wieder für den 50-km-Lauf in Oldendorf oder ähnliche Verbrechen.

Ein mäßiges Geschäft macht ohnehin der Gastronom im Sporthotel. Mögen hier sonst Fußballer oder Kegelschwestern ordentlich zechen – heute wird hier in aller Regel nur an der Apfelschorle oder am Kaffee genippt. Mein Heißgetränk spendiert mir Burkhard, Gesamtsieger der M70 und fleißiger Mitstreiter in meinem Pilates-Kursus, weil ich doch glatt mein Portemonnaie vergessen habe. Hier verabschiedet man sich in der Regel nicht mit frohen Fest-Wünschen, sondern mit einem “Wir sehen uns doch bestimmt in Amelinghausen!” Mehr als zwei Monate dauert das noch bis zum ersten Lauf des neuen Jahres – wie halten wir alle das nur aus?

Beitragsfoto: Stefan Ahrens/Lünepost

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