Sechs Zettel hängen noch an meiner Tür. Sechs Zettel mit den letzten sechs Trainingseinheiten vorm Marathon. Kein Dreißiger mehr, keine harten Intervalle, keine Wettkämpfe, die ich volle Pulle rennen soll. Ich liebe das Wort „Tapering“, das Herunterschrauben des Trainingsumfangs in den zwei Wochen vorm großen Lauf. Wie sollte ich sonst auch die Zeit finden, um jetzt panikartig noch einmal sämtliche Laufbibeln, Onlineratgeber usw. zu verschlingen, damit ja nichts mehr schief geht. 500 Meter zu viel gelaufen, fünf Nudeln zu wenig gegessen – und schon war die ganze Vorbereitung für die Katz‘. Oder?
Keine Trainingspläne wild durcheinander mischen – das hatte ich mir vorgenommen. Von daher interessiert mich eigentlich nur, was in Steffnys Laufbuch steht. 67 Tipps finde ich allein für die letzten zwei Wochen bis zum Start, vom rechtzeitigen Schneiden der Fußnägel bis zum Sex, der nur dann erlaubt ist, wenn er nicht mit Stress verbunden ist. Die ersten Astronauten dürften kaum besser vorbereitet in den Weltall gestartet sein. Was viele Läufer aber besonders interessiert, ist die Ernährung – als könne man mit dem richtigen Energieriegel gleich eine Minute pro Kilometer schneller wetzen. Steffny rät zu einer „leichten kohlenhydrathaltigen Mahlzeit zwei bis drei Stunden vor dem Start.“ Andere Experten gehen mehr ins Detail:
Trinken Sie als erstes ein Glas süßen Saft. Bereiten Sie Ihr gewohntes Frühstücksgetränk (Kaffee oder Tee) zu. Süßen Sie das Getränk mit Honig oder Zucker. Essen Sie jetzt keine Vollkorn-Produkte, denn diese enthalten viel Schlacken und die drücken Ihnen möglicherweise auf den Darm. Weiße Brötchen mit Marmelade oder Honig sind nun am besten geeignet und überall zu bekommen. Dazu ein bis zwei Bananen und die Sache stimmt. (Greif)
Toastbrot mit Honig gehört zu den beliebtesten Vor-Marathon-Frühstücken und ist gleichzeitig die wohl schlechteste Basis für einen Marathon. Wer zu viel schnelle Energie in Form von Zucker zuführt, also kurzkettigen Kohlenhydraten, wie Weißbrot oder Graubrot, Brötchen oder Toast, mit Honig oder Marmelade, muss mit der körpereigenen Blutzuckerpolizei Insulin und in der Folge schnell wieder sinkendem Blutzuckerspiegel rechnen. (laufcampus.ch)
Aha. Zu allem Überfluss las ich heute, was Anna Hahner am Morgen vor dem Wien-Marathon 2014 zu sich genommen hat: fünf Brötchen mit Frischkäse, Marmelade und Honig sowie vier Tassen Cappuccino. Und tags zuvor hat sie nach dem Abendessen fast 200 Gramm Schokolade vorm Fernseher weggeknabbert. Bei der Pastaparty futterte sie Kaiserschmarrn. Ist sie fürchterlich eingegangen, bekam sie Magenkrämpfe? Nicht ganz – sie gewann in Wien…
Ich pack‘ also wieder alle Ratgeber weg und werde am Sonntag vorm Start das essen, wonach mir ist (in der Regel zwei Brötchen mit Süßkram drauf und eine Banane). Und in Leipzig gibt’s bestimmt auch Schokolade zu kaufen.
Witzig – der eine so, der andere so.
Nach Gefühl frühstücken, ist wohl ne gute Wahl. Viel Erfolg.
Anja
Lieber Saffti,
die Idee mit den Post-its finde ich gut!
Und zum Thema Essen: Ich finde, da ist jeder anders gestrickt und muss rausfinden, was ihm bekommt. Mein Mann läuft z.B. Marathon durchgehend mit Cola. Davon rät jedes Lehrbuch ab, aber er ist damit glücklich…
Liebe Grüße und viel Erfolg in Leipzig!
Elke
Vielleicht sollte man es doch mal mit 5 Brötchen versuchen, falls man sich verläuft.
Übrigens sind mir diese Einheiten in der letzten Woche immer zuviel. Ich verlasse mich da inzwischen komplett auf mein Gefühl. Das wichtigste ist schon Anfang der Woche lockere Beine zu haben.
Viel Glück
Jörg
Hallo Safti,
bisher dachte ich immer, man müsse sich zur Bestzeit hungern (http://daspulsmesser.blogspot.de/2014/12/einfluss-von-temperatur-und-gewicht-auf.html) 😉
Auch mein Guru war lange Zeit Steffny. Und ich bin der Meinung, dass auch er irgendwo im Buch detaillierter auf die Wettkampfernährung eingeht. Jedenfalls habe ich immer brav Weißbrot mit Honig vorm Wettkampf gegessen.
Im Ultrabereich lösen sich einige der bekannten Regeln dann plötzlich auf. Zum einen ist das sonst verpönte Gehen unterwegs plötzlich erlaubt. Zum anderen darf man essen, was man will. So genoss ich zum Beispiel vorm Westerwaldlauf Kuchen mit fetten Butterstreuseln (http://daspulsmesser.blogspot.de/2014/06/westerwaldlauf-himmelfahrt-2014.html)
Gute Erfahrungen habe ich mit dem Frischkornbrei gemacht, den Werner Sonntag empfiehlt. Die Sättigung hält sehr lange vor, und der – im von dir zitierten Laufcampus-Artikel beschriebene – Insulin-Schock tritt nicht ein.
Danke für deinen launigen Artikel! Wann beleuchtest du die Sache mit dem stressigen Sex mal näher?
Viele Grüße!
Ratgeber sind gut – Bauchgefühl+Erfahrungen sind besser 😉
Ich esse vor Läufen gerne Hirsebrei oder einfach Toast mit Banane und Erdnussbutter…also…VIEL Erdnussbutter. Also eher Erdnussbutter mit eine bißchen Toast 😉