19. März 2024

Blind und blöd

Nie wieder werde ich über Läuferblindheit lästern. Nie wieder über Leute grinsen, die einen Pfeil oder ein Hinweisschild übersehen haben und dann vollkommen vom Weg abgekommen sind. Nie wieder! Schuld sind die 8,4 Kilometer zwischen Amelinghausen und Schwindebeck, die dank meiner Blindheit am Ende fast 15 Kilometer lang sind. Besonders blöd, wenn das alles im Rahmen einer Staffel passiert, die sieben Läufer nach mir daher gut 40 Minuten länger als geplant auf ihren Einsatz warten müssen. Ich schäme mich noch immer.

Beginnen wir mal von vorn: Zum Stadtfest-Wochenende erlebt die Lüneburger-Heide-Staffel ihre Premiere. 100 Kilometer von Lüneburg aus bis tief in die Heide und zurück für Ultraläufer, aber auch für Zehnerstaffeln. Kurzfristig hat mich das Team Orthopädie Schröder in Form von Cheftochter Kathrin als Ersatz für das dritte Teilstück von Amelinghausen nach Schwindebeck eingekauft. So weit, so gut.

Ganz schöner Aufwand für 8,4 Kilometerchen: ab in den Shuttlebus Richtung Amelinghausen, dann auf den Einsatz warten und warten, laufen, in Schwindebeck auf den Bus zurück nach Lüneburg warten und nach gut vier Stunden wieder auf den Sülzwiesen ankommen. Schade, dass ich nur eine so kurze Strecke abbekommen haben, dachte ich heimlich. Gut, dass ich eine so kurze Strecke abbekommen hatte, dachte ich im nächsten Moment, denn in den zwei Wochen zuvor habe ich tausend Dinge gemacht, nur nicht gelaufen und allzu viel geschlafen. Naja, irgendwie werde ich schon ankommen.

Die beiden Raketen unserer Staffel vor mir sind jedenfalls prächtig in Form. Ich übernehme den Stab auf Platz sieben von 78 Teams und überhole gleich auf den ersten Metern in Amelinghausen zwei Läuferinnen, die diese ganze Sache eher gemütlich angehen. Die Euphorie packt mich. Ich renne über den Zebrastreifen auf der B209. Und mache schon den entscheidenden Fehler.

Da sollte ich eigentlich langlaufen...
Da sollte ich eigentlich langlaufen…

„Dort überqueren wir den Fußgängerüberweg und halten uns sofort links auf dem Fußweg“, heißt es in der Beschreibung. Statt „sofort links“ laufe ich geradeaus. Lila Pfeile, so höre ich später, sollen da den Weg gewiesen haben. Ich habe keine gesehen.

Und so trabe ich munter statt nach Westen Richtung Norden und komme schließlich in Oldendorf/Luhe an. Kein Pfeil, kein Hinweisschild, keine andere Staffel vor oder hinter mir – allmählich ahne ich, dass hier etwas nicht stimmt. Zwei Passanten frage ich, ob sie denn schon andere Läufer gesehen haben. Ich ernte nur Kopfschütteln. Und nun? Zurücklaufen nach Amelinghausen? Oder querbeet Richtung Schwindebeck durchschlagen? Googlemaps rät mir zur zweiten Version. Ich warne per WhatsApp den Rest meines Teams vor, dass ich wohl zwanzig Minuten später komme. Am Ende werden es übrigens fast vierzig.

Und so bin ich gelaufen.
Und so bin ich gelaufen.

Und so laufe ich Richtung Soderstorf, das sich festlich herausgeputzt hat. Leider nicht für unsere Staffel, sondern für das Schützenfest. Mein flottes Anfangstempo kann ich längst nicht mehr auch nur ansatzweise halten, die Insekten nerven. Ich habe Durst. Und das Baumwollshirt, das ich als Staffel-Outfit spendiert bekommen habe, ist auch nicht besonders geeignet für dieses stickige Wetter. Durst!

Immerhin bekommen die von der Staffel-Organisation schmächlich links liegengelassenen Heideperlen Oldendorf/Luhe und Soderstorf so Besuch von wenigstens einem Läufer an diesem Tag, auch wenn das vor Ort praktisch niemand bemerkt. Gähnend leere Straßen auch in Schwindebeck. Ein Bauer in Unterbüx leert seinen Mülleimer und weiß von nix. Irgendwie erfahre ich, dass der Wechselpunkt noch ein ganzes Stück außerhalb des Dorfs liegt. Danke. Ich habe derzeit auf kaum etwas noch mehr Lust als auf einen weiteren Kilometer.

Nach gut 1:18 Stunden für die 8,4-Kilometer-Distanz werde ich meinen Staffelstab endlich an Dennis los, quäle mir ein paar Getränke und Riegel in die Figur, lasse eine aufkommende Blase verarzten und erreiche recht schnell den Shuttle-Bus, auf den ich ohne meine Extrarunde gut eine Stunde hätte warten müssen. Unsere Staffel hat am Ende übrigens immerhin einen guten 28. Platz belegt. Ich traue mich nicht nachzugucken, wo wir denn ohne meinen Ausflug gelandet wären…

Update: Ohne meine Ehrenrunde wären wir wahrscheinlich Siebter oder Achter geworden. Und ich habe es tatsächlich geschafft, auf meinem Teilstück 76. und Letzter zu werden. Oje.

2 Gedanken zu “Blind und blöd

  1. Lieber Saffti,
    deine Geschichte ist lustig angekommen. Wir dürfen aber darauf hinweisen, dass die zweite Etappe durch die Heideperle Oldendorf/Luhe führt…und die manchmal erwas längeren Wartezeiten dienen der Entschleunigung….
    Grüsse
    Das Orga-Team

    1. Stimmt, aber ich bin auf dem Radweg an der Landstraße Richtung Oldendorf gelaufen. Ich sehe das gerade auf der Karte: Ein paar hundert Meter östlich von mir waren die anderen Staffeln unterwegs – leider zu weit weg für mich, um zu registrieren, dass ich da gerade wieder zurücklaufe…

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