20. April 2024

Endlich in Echem

Was wäre wohl aus mir geworden, wenn…? Tja, eine beliebte Frage. Was wäre wohl aus mir geworden, wenn mich meine Kindergartenliebe doch geheiratet hätte? Wenn ich in der Schule besser aufgepasst hätte? Oder wenn ich 2000 nach Echem gezogen wäre? Wir hatten damals wirklich ein hübsches Haus an der Angel, haben uns aber letztlich doch für Lüneburg und gegen das Dorfleben entschieden. Mit harten Konsequenzen: So habe ich den schnuckligen Dorflauf des FC Echem erst bei seiner elften Austragung kennenlernen können. Jammerschade um die zehn Läufe, die ich verpasst habe.

Alle Starter über 5 und 10 km auf einen Blick. Endlich mal ein Start, bei dem ich mich ohne schlechtes Gewissen in die zweite Reihe stellen kann. Foto: FC Echem
Alle Starter über 5 und 10 km auf einen Blick. Endlich mal ein Start, bei dem ich mich ohne schlechtes Gewissen in die zweite Reihe stellen kann. Foto: FC Echem

Wie familiär es in Echem zugeht, erahnt man bei der Betrachtung des obigen Fotos. Hier geht’s nicht um fürchterlich wichtige Punkte für den SALAH-Cup oder neue Bestzeiten, hier geht es einzig und allein um die Freude am Laufen und an der Bewegung. Zum Anschwitzen (und mangels Alternative) habe ich die 17 Kilometer lange Anfahrt mit dem Rad erledigt – und bin es auch ein bisschen, wie ich auf den ersten Metern der Strecke merke.

Es geht anfangs mehr oder weniger über den Acker. Ein Kilometer Geläuf, das man etwas beschönigend Feldweg nennen kann. Und ich fühle mich gar nicht gut, lasse erst mal die anderen laufen. Das bei Triathleten so beliebte Koppeltraining Rad-Laufen kommt bei meinen Beinen gar nicht gut an.

Ach, dann mache ich das Beste draus und bewundere die Natur. Kuhfladen auf dem Weg, der nach einem Kilometer wenigstens asphaltiert ist. Felder links und rechts, Traktoren überall. Irgendwann teilt sich das Feld. Die Fünfer biegen links ab, wir Zehner rechts. Und es ist noch einsamer geworden. Ein ganzes Stück vor mir läuft Knut, hinter mir niemand.

Wir passieren Hittbergen. Menschenmassen stehen Spalier, feuern uns frenetisch an – nee, von wegen. Exakt zwei Einwohnerinnen sehe ich, beide nehmen mich kaum bis gar nicht zur Kenntnis. Eine hübsche Windmühle sehe ich links von mir, das Schützenhaus rechts. Und Knut wird immer größer. Sollte ich ihn etwa überholen können?

Nach sechs Kilometern passiere ich Knut schweren Herzens, weil das bedeutet, dass ich erstens jetzt gar niemanden mehr vor mir habe und zweitens Knut im Nacken. Wir lassen Bullendorf rechts liegen. Ich sehne die Kilometerangaben auf der Straße mehr und mehr herbei. Die Acht, die Neun, Endspurt! Und da ist schon der Platz. Wo geht’s aber ins Ziel? Ich laufe erst einmal am Eingangstor vorbei, mir kommen ein paar Fünfer entgegen. Ich drehe um und komme doch noch knapp vor Knut ins Ziel. Peinlich, diese Läuferblindheit.

Immerhin darf ich mich feiern lassen: Im 112. Versuch bin ich zum ersten Mal Altersklassensieger geworden, wobei ich bis jetzt noch nicht weiß, ob es überhaupt einen Zweiten gegeben hat. Noch besser: Ich bin Dritter des Gesamtlaufs geworden! Eigentlich hatte ich mich auf Platz vier gewähnt, doch der Superflitzer Björn, der uns kläglichem Rest auf den ersten 100 Metern schon 73 abgenommen hatte, lief nur fünf Kilometer.

Die Jungs von der Auswertung verzweifeln kurz an der Zeitmessung, kriegen es dann irgendwie doch noch hin. Ich vertreibe mir die Zeit mit zwei Stück Kuchen, einem Kaffee und einer Bratwurst als Nachtisch, viel Sabbelei mit Kathrin und Rebekka, die mich prompt für ihre Heide-Staffel anwerben. Irgendwann kommt einer der Organisatoren auf die verbliebene Läufermeute zu und sagt: „Da das Interesse an einer Siegerehrung nicht mehr so groß ist, könnt ihr euch alle bei uns gleich eine Urkunde ausdrucken lassen.“

Mein Interesse an einer Siegerehrung wäre natürlich riesig gewesen. Was wäre wohl aus mir geworden, wenn ich ein echtes Podest hätte betreten können und von Tausenden von Fans für Platz drei beim Dorflauf gefeiert worden wäre? Wahrscheinlich ein noch eingebildeteres Kerlchen, als ich eh schon bin.

2 Gedanken zu “Endlich in Echem

  1. Ich kann dir nur beipflichten,der Dorflauf Echem lohnt sich wirklich.Da nehmen wir gerne die etwas längere Anfahrt in Kauf.Gerade das Familiäre kommt gut an.Und auch ich hätte eine Siegerehrung gut gefunden.Werd auch nicht so oft Dritter, allerdings bei den 5km.

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