„Ich möcht‘ zurück auf die Straße.“ Dass ich mal mit einem Zitat vom ollen Müller-Westernhagen in einen Wettkampfbericht einsteige… Nun, wer den Volkslauf des TSV Adendorf kennt und seine schier nicht enden wollenden Kurven und Schleifchen kreuz und quer durch den Wald zwischen dem Adendorfer Sportzentrum und dem Elbe-Seitenkanal, der wird dieses Liedchen mitsummen. Und wer jetzt mit mehreren dieser Wald- und Wiesenläufe den Spätsommer gefüllt hat, den plagt nur noch eine Sehnsucht: die nach hartem, ehrlichem Asphalt unter den Füßen.
Aber erst einmal alles auf Anfang. Ich habe zu Hause schon ein bisschen getrödelt, suchte meine Magnet-Smileys für die Befestigung der Startnummer (vergeblich), stand lange unschlüssig vor dem Kellerregal mit meinen fünf Paar Laufschuhen. Nach Adendorf radle ich in kaum zehn Minuten, dieser Lauf ist also fast ein Heimspiel für mich (ebenso fast wie der in Lüneburg und der in Scharnebeck – die Quersumme aus diesen drei Strecken ist in etwa mein gewöhnliches Laufrevier).
Und das nennt man wohl familiäre Stimmung: 60 Prozent der Anwesenden kenne ich mit Namen, Verein, Altersklasse und ungefährer Bestzeit über 10 Kilometer, im Halbmarathon und Marathon, 35 Prozent vom Sehen, die restlichen 5 Prozent müssen Touristen auf der Durchreise sein. In Adendorf trifft sich der hammerharte Kern der Lüneburger Laufszene. Ich verbringe so viele Minuten mit Begrüßen, Klönen und Austauschen der nächsten größeren Laufziele, dass ich erst 10 Minuten vorm Start überhaupt zum Einlaufen komme.
Dann geht’s los. „Das Erste, was man sieht, ist Rösler“, stöhnt ein Mitläufer – nun ja, er sitzt auch für die SPD im Lüneburger Rat. Zwei Zuschauerinnen klatschen – es werden die beiden einzigen Zuschauerinnen sein, die mir auf meinen 10,1 Kilometer auffallen. Kurz darauf merke ich, dass ich meine Stoppuhr überhaupt nicht angestellt habe. Ich weiß auch ohne Blick auf die Uhr, dass ich etwas zu schnell angegangen bin. Die schnellste Kathrin Lüneburgs sowie der Typ von der Online-Konkurrenz, der mich schon in Amelinghausen stehengelassen hat, sind doch deutlich schneller, als es mir gut tut.
Hoch und runter, links und rechts
Nun geht’s durch den Wald hoch zum Kanal, dort bald wieder runter zum Schiffshebewerk (dem kommt man in Adendorf kurioserweise viel näher als beim Scharnebecker Schiffshebewerklauf), kurz wieder hoch auf die Straße. Und dann folgt diese verwinkelte Passage. Hoch, runter, links, rechts, fester Weg, Pfützen, Gras, wieder Pfützen, Walker, langsame Jogger, wieder links, wieder rechts. Hier einen Rhythmus zu finden ist ungefähr so einfach wie das Nachspielen dieser wunderbaren Scheibe, Free Jazz für die Füße halt.
Nach exakt 8 Kilometern biegen wir endlich auf die Straße ab. Wir passieren Golfhotel, Eishockeyhalle und Schwimmbad (ja, Adendorf ist dank seiner Gewerbeeinnahmen nicht gerade das ärmste Kaff des niedersächsischen Nordostens), drehen noch eine halbe Runde auf dem Sportplatz und sind schon wieder im Ziel. In welcher Zeit denn ungefähr? Ich frage die zwei Leute, die direkt vor und hinter mir ins Ziel gekommen sind. Beide haben keine Ahnung. Jungs, sind wir alle tiefenentspannt gelaufen…
Eigentlich müsste ich jetzt schnell zur Arbeit, aber ich muss ja noch Worte wechseln mit dem Teil der 60 Prozent, die ich nicht schon vorm Lauf getroffen habe. Weil ich mich richtig festquatsche, bekomme ich sogar noch den Aushang der Ergebnisse mit. Nach Platz sieben in Amelinghausen und Platz sieben beim Tiergartenlauf bin ich jetzt zur Abwechslung in meiner Alterklasse Siebter geworden. In Hohnstorf neulich, da war ich sogar Sechster. Dann muss einer der schnellen Cracks wohl nicht aus dem Bett gekommen sein.
Doch jetzt möchte ich wirklich zurück auf die Straße. Nach all den Volksläufen durch die Natur will ich endlich wieder Gas geben auf einer halbwegs ebenen Strecke mitten durch irgendeinen Ort, nehme sogar Sambagruppen oder Anfeuerung mit Stimmungsliedern in Kauf. Meinetwegen können sie sogar Westernhagen auflegen.