Nur noch 20 Minuten, dann ist das Laufjahr vorbei. Nur noch 15, heul jetzt nicht! Beim Herbstlauf in Westergellersen musste ich schon die harte Art der Selbstbeschimpfung anschlagen, um die letzten 10,8 Kilometer dieser Saison zu schaffen. Die Beine sind müde, der Kopf ist leer – höchste Zeit für ein paar regenerative Wochen.
Nur eine Woche nach meinen Heldentaten in Oldenburg stand also Westergellersen an. Das Profil ist schnell beschrieben: 5 km hoch, 2 km runter, 2 km fiese Wellen, 2 km wieder runter. Schaffe ich es tatsächlich, diesen letzten Lauf einfach nur zu genießen und mich nicht zu hetzen? Nach zwei Kilometern linse ich auf die Uhr und stelle fest: Mir bleibt gar keine andere Wahl. Die Pace, die ich beim Halbmarathon in Oldenburg bei Regenschauern und Gegenwind ungefähr auf Kilometer 17 hingelegt hatte, schaffe ich jetzt nicht einmal auf dem ersten Teilstück.
Ich verpasse den Moment, eine Wadenverletzung zu markieren und zurück zum Platz zu humpeln, und tu‘ so, also wenn ich auf einer halbwegs flotten Trainingsrunde unterwegs bin. In der Nacht hatte es geschüttet, doch der Waldboden hat fast alles verschluckt. Kein Kumpel in Sicht, mit dem ich jetzt ein bisschen plaudern könnte. Die sind entweder auf der langen Strecke unterwegs oder gleich zu Hause geblieben.
Das letzte Erfolgserlebnis
Während der fiesen Wellen robbt sich langsam ein Schnaufer an mich heran, mal leiser, mal wieder etwas lauter. Umdrehen geht nicht, überholen lassen erst recht nicht. Also gebe ich auf den letzten Kilometern des Jahres doch noch mal ein bisschen Gas. Den Schnaufer kann ich abschütteln; einen anderen rotgesichtigen Kontrahenten überhole ich sogar noch. Das letzte kleine Erfolgserlebnis des Jahres.
Ins Ziel komme ich trotzdem gut eine Minute später als vor einem Jahr. Und es ist mir so etwas von egal. Fast jedenfalls. „Was biste gelaufen? Bestimmt doch um 45 Minuten?“, meint ein Kumpel. Ich nuschle: „50 und ein bisschen.“ Ja, 50 ist das Stichwort. Den nächsten Volkslauf werde ich alter Sack dann schon in der Altersklasse M50 bestreiten. Hoffentlich mit nicht ganz so müden Beinen und einem etwas volleren Kopf.
Foto: Kerstin Thomas
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