21. November 2024

Solange der Kopf nicht abfällt

„Es macht nichts aus, älter zu werden. Man muss nur jung dabei bleiben.“ Der Spruch des Tages aus der Feder von Ruth Lingenfelser in der heutigen Landeszeitung – passend zu meinen dicken Waden, die ich mir gerade wieder aus Westergellersen beim Herbstlauf des TSV Gellersen abgeholt habe. Alles eine Frage des Alters? Wohl kaum…

Senioren in Gellersen – jaja, der Bundestrainer hat schon wie immer recht. Foto: Diana, Montage: der Bundestrainer.

„Berge mag ich sehr. Und Crossläufe mag ich besonders“, hat mir Elisabeth Hermann in den Block diktiert. Die Berlinerin war mit 72 Jahren älteste Teilnehmerin des Halbmarathons. Mancher Crack, der nicht einmal halb so alt ist wie sie und auch nur die halbe Distanz lief, stöhnte, schwitzte und schimpfte nur noch über die sechs, sieben Hügel, für die das letzte Drittel des Herbstlaufs berüchtigt ist. Zumindest bei uns in der Region, wo der Wilseder Berg mit seinen 169 Höhenmeterchen praktisch als Zugspitze des Nordens gilt.

Aber wie geht es mir? Ich bin nicht jung und nicht richtig alt. Ich bin wahrlich keine Bergziege, schaffe aber wenigstens kleinere Erhebungen dank diverser Berg- und Treppeneinheiten mit dem Scharnebecker Lauftreffs, ohne gleich auf allen Vieren hochkriechen zu müssen.

Letztlich entscheide ich mich für eine defensive Herangehensweise. Sieben Kilometer warmlaufen, zwei Kilometer Berge, eineinhalb Kilometer auslaufen. Reinhard, mein Role Model für die Altersklasse M55 (immer locker, immer ausgeglichen, immer etwas fixer als ich), zieht kurz vor der entscheidenden Passage an mir vorbei. Dranbleiben. Auch, wenn es jetzt etwas weh tun könnte.

Reinhard wird irgendwann – wie so oft – nur noch zu einem kleinen Punkt am Horizont, sofern man im Westergellerser Wald überhaupt einen Horizont erkennen kann. Ich werde zudem gemeinerweise von zwei Jungs, Typ spielfreie Fußballer mit überschüssigem Bewegungsdrang, überholt, die sich sogar noch unterhalten können. „Wie viele Berge kommen denn noch?“ „Reiß dich zusammen!“ Usw.

Der letzte Kilometer in Westergellersen. Buntes Laub, ein Hauch von Sonne – eine wunderbare Belohnung nach den Bergen zuvor. Foto: Sawert

Ich reiße mich auch zusammen, genieße das letzte Stückchen im Herbstwald und biege ab auf den Sportplatz. Ich werde zwar immer älter und langsamer, die Kollegen aus meiner neuen Altersklasse M55 aber auch .- ein paar sind ganz verschwunden, vermutlich Richtung Golfplatz. Und so sammle ich in unserer Volkslaufserie namens SALAH-Cup insgesamt sogar ein paar Punkte mehr als sonst.

Konkurrenzlos in ihrer Altersklasse ist Elisabeth Hermann. Und auch zwei ältere Herren, die sich ebenfalls den Halbmarathon angetan haben. Einer ist schon 82, hat zwei poröse Wirbel und läuft mit Halskrause. Der andere meint grinsend: „Solange der Kopf nicht abfällt, läuft er.“

Was für ein schönes Motto. Meine Wade ist zwar immer noch dick, und meine Bauchmuskeln fühlen sich auch leicht angespannt an. Aber der Kopf – der sollte noch ein paar Jahrzehnte fest auf den Schultern sitzen.

Ein Gedanke zu “Solange der Kopf nicht abfällt

  1. Hi Andreas,
    das passt gut zu meinem Motto „Lieber auf dem Feld zerbrechen, als im Schuppen verrosten“.
    Wünsche Dir und uns weiterhin ein enstpanntes Altern 🙂
    VG
    Bernd

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