Jeder Läufer ist für sich selbst verantwortlich. Aber der Veranstalter ist auch für die Gesundheit aller Teilnehmer verantwortlich. Das ist das Dilemma, unter dem jetzt auch die City Nacht in Berlin litt. Schwül-warme 31 Grad waren für den Veranstaltungsabend angesagt – also entschied man sich beim Ausrichter SCC Berlin am Tag vor dem Wettkampf, die Strecke von zehn auf fünf Kilometer zu verkürzen und keine Wettkampfwertung vorzunehmen. Viele zeigten Verständnis, andere ärgerten sich maßlos. Nach dem Motto: „Weichgetue. Wer richtig trainiert und sich kennt, kann auch bei 30 Grad rennen, eben nur langsamer.“ Ich bin da ganz und gar anderer Meinung.
Der Reiz vieler Läufe besteht für mich darin, dass ich meinem Körper mehr zumute als gewöhnlich und dass auch einiges schief gehen kann. No risk, no fun… Wenn ein Marathon leicht und ohne Risiko zu laufen wäre – welchen Reiz hätte er dann? Andererseits weiß ich aber, wann ich das Laufen definitiv sein lasse: zum Beispiel mit oder kurz nach einem Infekt oder bei extremen Wetterlagen. Zehn Kilometer kann ich bei 31 Grad vielleicht irgendwie laufen, aber ganz bestimmt nicht auf Bestzeit – und was ist das schon für ein Laufvergnügen, wenn man eigentlich nur heilfroh ist, sobald man halbwegs gesund das Ziel erreicht hat? Ich hatte für mich jedenfalls das Berlin-Wochenende schon abgesagt, kurz bevor dann auch das offizielle Aus vom SCC kam.
Und das kann ich absolut nachvollziehen. Zwei junge Männer sind beim Berliner Halbmarathon in diesem Jahr tot umgekippt, und das bei guten Wetterbedingungen. Veranstalter damals: der SCC. Bei einem Citylauf dieser Art starten viele Gelegenheitsläufer, die ihren Körper vielleicht nicht so gut kennen, sich leichter übernehmen. Klar, auch manchen Laufprofi treibt ein ungesunder Ehrgeiz. Aber ich bin mir sicher, dass es in Berlin bei einem „normalen“ 10-km-Rennen mit Zeitmessung Hunderte Fälle für die Ärzte und Sanitäter gegeben hätte. Ob das alles gut gegangen wäre? Ich will es nicht wissen.
Vor sich selbst schützen
2008 forderte der Zugspitzlauf zwei Tote, nachdem die Veranstalter trotz des Schneefalls mitten im Sommer auf eine Verkürzung der Strecke auf Druck vieler Teilnehmer verzichtet hatte. 2007 waren die Marathonläufe in Rotterdam und Chicago wegen Hitze abgebrochen worden, bei übrigens niedrigeren Temperaturen, als sie jetzt in Berlin herrschten. Ein Zehner mag kein Marathon sein, aber einen Zehner gehen auch weniger gut Trainierte an, Kinder und Jugendliche. Wer jetzt über die Absage des Zehners schimpft, wie es viele auf der Facebook-Seite des SCC getan haben, sollte sich bitte in die Lage der Verantwortlichen versetzen. Manche Läufer muss man vor sich selbst schützen – und sei es durch die Streichung einer kompletten Veranstaltung.
Vor einem Jahr fand der Heideköniginnenlauf in Amelinghausen bei gut 35 Grad in der prallen Nachmittagshitze statt. Alles ging gut, weil hier rund 200 ganz überwiegend erfahrene Cracks an den Start gingen. Die meisten drosselten das Tempo, einige der besten Läufer der Region stiegen früh aus oder starteten gar nicht erst. Hier mochte das Prinzip der Selbstverantwortung klappen. Aber bei einer unüberschaubaren Menge von 9000 Leuten vom Olympiateilnehmer bis zum Gelegenheitsjogger? Die Berliner Krankenhäuser waren an diesem Hitzewochenende ohnehin überfüllt genug.
Noch ein heißer Linktipp in diesem Zusammenhang: Herbert Steffny über Todesfälle beim Marathon.
Fotos: B.Z., SCC Berlin
Trotz der Bedenken des Veranstalters und seiner Fürsorge – die Absage hätte früher erfolgen müssen.
Die der Absage zu Grunde liegende Wetterprognose gab es ja schon die ganze Woche vor dem Lauf. Ich war aus München am Donnerstag nach Berlin zur City-Nacht angereist und erfahre dann am Freitagnachmittag, dass ich auch hätte zu Hause bleiben und Hotel- und Reisekosten (darf gerne jeder Mal über den Daumen peilen, wieviel Geld das ist) hätte sparen können. Die City-Nacht ist, wie so viele Veranstaltungen des SCC, ein Magnet für Auswärtige. Es dürfte also hunderte Teilnehmer getroffen haben, wie mich.
Daher bleibt bei mir ein fader Beigeschmack am „Krisenmanagement“ des SCC.
Tja, ich wäre erst am Sonnabend angereist, habe die Reise für mich am Donnerstag Abend abgesagt. Die Bahnkarte habe ich immerhin komplett erstattet bekommen (dank eines Hinweises auf den Hochwasser-Fahrplan), das Quartier ließ sich auch noch canceln. Ich wäre nach Berlin nicht nur wegen des Laufs gefahren, sondern um dort noch ein bisschen etwas von der Stadt an einem verlängerten Wochenende zu sehen. Aber was kann man schon bei 37 Grad (Sonntag) bzw. Unwetter und Starkregen (Montag) in einer Großstadt anschauen? Ich wollte eigentlich meine 10-km-Bestzeit morgen bei einem Lauf in der Region angreifen, aber jetzt sind schon wieder weit über 30 Grad vorhergesagt…