4. Oktober 2024

Das ging ins Auge

Wie habe ich doch Alex, Jens & Co. aus meinem Lauftreff im Frühling aufgezogen – extra nach Berlin fahren, um einen Halbmarathon zu rennen, das ist doch Quatsch. Nun fahre ich nach Berlin, um einen Zehner zu rennen. In zwölf Tagen steht die City-Nacht auf dem Programm. Zum ersten Mal seit gut sechs Jahren bin ich mal wieder in der Hauptstadt. Und damals hatte ich gerade angefangen zu laufen – mit bösen Folgen. Die Zeilen von damals habe ich tatsächlich aufgehoben. Viel Spaß (und Schadenfreude) damit…

So ein idyllisches Laufrevier - und doch so gefährlich. Foto: Annette Blum, fotocommunity
So ein idyllisches Laufrevier – und doch so gefährlich. Foto: Annette Blum, fotocommunity

Nee, ehrlich: Wenn man sich zum 53. Mal den gleichen Witz anhören muss, dann ist das nicht mehr witzig. Ein blaues Auge lässt sich leider nicht so gut verstecken wie etwa Fußpilz oder eine Zwölffingerdarmentzündung. Mein Veilchen habe ich frisch aus Berlin mitgebracht — blöd gelaufen, aber muss ich mich wirklich 53 Mal fragen lassen, warum mich wahlweise meine Frau oder Eisbär Knut gehauen hat? Damit das endlich aufhört, folgt die Geschichte vom Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf.

Wie schon erwähnt: Ich war mal wieder in Berlin. Früher hat man sich andere Gedanken gemacht. Wo kann man bis tief in die Nacht abhotten, wo tagsüber shoppen? Jetzt war meine erste Frage: Wo kann ich in der Nähe meines Quartiers laufen? Ja, im Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf. Vom Rathaus Schöneberg bis zum Ende des Vennsees, falls Ihnen das etwas sagt. Falls nicht: Stellen Sie sich himmlische Ruhe, eine verlassene Idylle und Natur pur vor — exakt das Gegenteil finden Sie in Berliner Parks vor.

Immerhin: Das urbane Leben hat auch Vorteile: Man kann mit Nowitzki-Shirt und kurzer Hose auch bei Temperaturen knapp über 0 Grad bedenkenlos über belebte Bürgersteige jagen, U-Bahn fahren oder zur Not auch einkaufen, ohne dass auch nur ein Mensch bedeckt guckt – der Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf, der ungefähr die Abmessungen eines unter die Walze geratenen Lüneburger Kurparks hat, zieht Horden von Läufern aus Berlins wildem Südwesten magisch an. Am Brunnen unter dem goldenen Hirschen vor der schnuckeligen U-Bahn-Station Rathaus Schöneberg hängen bei gutem Wetter Großteile der Berliner Bevölkerung ab, der Rest rennt, trabt, walkt oder spaziert um sie herum.

Kopfbillard mit der Wand

Nun aber zum blauen Auge: Der erste Lauf durch den Park klappte einwandfrei, beim zweiten aber war mir ein klitzekleines bisschen zu warm. Vielleicht hatte ich zuvor auch etwas zu viel Kaffee und zu wenig anderes getrunken. Vielleicht war das Touri-Programm am Tag auch etwas zu anstrengend. Vielleicht hätte ich die Fußgängerbrücke über die Bundesallee, fieseste von vielen künstlichen Steigungen, etwas gemächlicher angehen sollen. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn wir nicht gerade eine Bleibe im dritten Stock bezogen hätten. Und ganz bestimmt, wenn ich nach der Runde nicht gleich viel zu heiß geduscht hätte.

Kurzum: Plötzlich war vorm Bad mein Kreislauf weg, ich knickte zusammen und spielte Kopfbillard mit der Wand und dem Fußboden (nein, kein Teppich — Holzbohlen!). Ein Veilchen über dem geschwollenen Jochbein, eine dicke Schramme auf dem Kopf, eine am Kinn. Jetzt wusste ich, wie man sich als Axel Schulz fühlt. Blutdruck 80:40, das stellte der Notarzt eine Viertelstunde später fest. Alles eigentlich harmlos, meinte mein Hausdoktor später, aber trinken Sie immer ordentlich. Jaja. Irgendwo in meinem Inneren erklang ein Chor, hämisch wie Eishockey-Fans Richtung Gäste-Keeper nach einem Bauerntrick-Tor: „Anfängerfehler!“

Nee, ich geh nie wieder laufen in diesem Park. Es gibt auch eine ganz tolle Runde quer durchs Regierungsviertel und am Tiergarten entlang. Eine kleine Kreislaufschwäche vor dem Kanzleramt, ein telegener Zusammenbruch am Brandenburger Tor vor der versammelten Weltpresse — und Knut könnte endgültig einpacken.

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