21. November 2024

Hermannslauf in klein

Eigentlich wollte ich nur einen flotten Zehner laufen. Dass der Borgloher Weiherlauf dafür ungefähr so gut geeignet ist wie der Kader von Honduras für einen Weltmeistertipp, hätte ich bei einem etwas intensiveren Blick aufs Höhenprofil ja ahnen können. Aber wenigstens habe ich meinen ersten Volkslauf im Osnabrücker Land, der Heimat meiner Liebsten, geschafft. Und es wird bestimmt nicht der letzte gewesen sein.

Die letzten Meter am Weiher - und der Laufstil? Au weiher...
Die letzten Meter am Weiher – und der Laufstil? Au weiher…

Der Borgloher Weiherlauf gehört zum „Dreierpack“, der kurioserweise aus fünf Läufen im südlichen Landkreis Osnabrück besteht, in diesem Jahr aber nur auf vier, von denen man drei absolviert haben muss, um in die Wertung zu kommen – daher der Name. Man kann sich für die komplette Serie anmelden, erhält dann eine personalisierte Startnummer. Das wäre doch mal eine Idee für den Lüneburger SALAH-Cup?

Gewöhnungsbedürftig war für mich die Startzeit: freitags, 19 Uhr. Eine Stunde zuvor flogen bereits die Kinder einmal rund um den namensgebenden Borgloher Weiher, während wir Erwachsenen vor allem damit beschäftigt waren, einen schattigen Platz zu finden. Selbst hier, 260 Kilometer von der Heimat entfernt, sah ich gleich ein paar bekannte Gesichter – vom Hermannslauf und sogar vom Oldenburg-Marathon im vergangenen Jahr. „Seitdem habe ich Probleme mit dem Meniskus“, stöhnte der Nordire, mit dem ich damals ein paar Kilometer durch den Regen gelaufen war.

In Borgloh war es dagegen sonnig, fast schon zu sonnig. Um die 300 Läufer für drei verschiedene Distanzen stellten sich auf den mörderengen Schotterweg am Start auf, auffallend viele in Vereinstrikots. Borgloh, Ravensberg, Melle, GMHütte, Kloster Oesede – jedes Dörflein schien hier mindestens zwei Dutzend Cracks an den Start gebracht zu haben.

Ich sortierte mich optimistisch ins vordere Viertel ein, um dem allergrößten Gedrängel auszuweichen, und erwartete trotzdem ein fürchterliches Chaos auf den ersten Metern. Von wegen! Niemand stürzte, niemand wurde in den Weiher geschubst, um den auch wir erst einmal traben mussten. Wir liefen danach erst einmal eine kleine Runde um den Ort, ein erster Hügel ging schon ein bisschen in die Beine. Die ersten zwei Kilometer schaffte ich in exakt neun Minuten. Ein Schnitt von 4:30 schien also drin zu sein.

Ein Königreich für einen flachen Meter

Aber ich ahnte ja nicht, was dann kam. Ich hatte etwas von „Borgloher Schweiz“ gelesen und völlig verdrängt, dass eine Schweiz in der Regel mit fiesen Anstiegen verbunden war. Und es kamen noch fünf dieser Art. Ein fieser, ein sehr fieser, ein extrem fieser, ein sehr fieser und ein fieser. Ein Königreich für einen flachen Meter! Hoch und runter ging es, dazu warteten immer wieder Passagen durch Wälder, schön matschig nach den kräftigen Regengüssen vom Donnerstag. Bisweilen ging es dermaßen steil bergauf, dass ich kaum noch wusste, ob ich noch laufe oder schon gehe.

Tja, Borgloh glich einem Hermannslauf in klein. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich beim Hermannslauf meine Kräfte eingeteilt hatte, während ich hier auf den ersten Kilometern doch schon viele Körner gelassen hatte. Immerhin gab es auch hier an der Strecke ein paar Stimmungsnester, Einheimische, die ordentlich Radau machten. Bei Kilometer acht war das Gröbste geschafft, ein paar Cheerleader feierten jeden Läufer, selbst den aus Lüneburg, der allmählich aufpassen musste, nicht über seine Zunge zu stolpern.

Auf den letzten zwei Kilometer konnte ich es wenigstens rollen lassen. Das 45-Minuten-Ziel hatte ich längst geknickt, gelocht und abgeheftet, letztlich waren 45 Männer und vier Frauen schneller als ich mit meiner Zeit von 47:50. Egal, im Ziel wurde auch ich ein bisschen gefeiert. Eine sehr sympathische Stimmung herrschte hier ohnehin. Der halbe Ort schien sich am Weiher eingefunden zu haben, feierte bei Bratwurst und Pommes. Die Zielverpflegung fiel üppig aus. Und in Borgloh wurde, ebenso wie etwa in Hohnstorf oder Scharnebeck, noch viele Minuten über jeden einzelnen Meter dieser Strecke gefachsimpelt.

In der Turnhalle stöhnten die Cracks schon angesichts der kommenden Aufgaben: Landesmeisterschaft in einer Woche, Mitteldistanz in 14 Tagen usw. Ich hatte keine solchen Ziele zu bieten, schloss mich aber gern dem Vorhaben einiger Leute an, die meinten: „So, jetzt müssen wir den Nachbarverein unterstützen und eine Bratwurst essen.“ Ich unterstütze den TuS Borgloh auch noch einmal kräftig und fuhr trotz der wohl schlechtesten Zehnerzeit in diesem Jahrzehnt richtig zufrieden nach Hause. Was als Tempolauf geplant war, wurde ein richtig lustiges Bergtraining. Und wo habe ich am nächsten Morgen Muskelkater: in den Armen! Ich muss an meiner Bergauf- und Bergablauf-Technik wohl noch feilen.

Foto: www.laufen-os.de

 

4 Gedanken zu “Hermannslauf in klein

  1. Als Veranstalter des Borgloher Weiherlaufes hat es uns sehr viel Freude bereitet, deinen Beitrag zu lesen. Nicht nur, daß der Lauf von dir gute Kritiken bekam, sondern auch das unserer Meinung nach Typische für die Veranstaltung wurde von dir als „Auswertiger“ und somit neutraler und unvoreingenommener Läufer so erlebt. Dein interessanter und lebendiger Schreibstil hat das Ganze sehr gut rübergebracht. Daher meine Frage: dürfen wir deinen Beitrag auf unserer Homepage verlinken und ggf. in der regionalen Presse veröffentlichen?

    1. Danke fürs Lob (und für den schönen Lauf) – gegen die weitere Verwertung habe ich nichts! Bei künftigen Besuchen Richtung OS werde ich jetzt auch grundsätzlich auf die Laufveranstaltungen vor Ort achten 😉

  2. Als gebürtiger Soltauer habe ich 2 Jahre in Lüneburg gewohnt ehe es mich beruflich ins Osnabrücker Land verschlagen hat und kann nachvollziehen wie man sich hier fühlt wenn man eher im flachen Land trainiert. Wenn ich gewusst hätte dass ein Lüneburger zuhört wie ich von der kommenden Landesmeisterschaft oder Mitteldistanz erzähle hätte ich die Kosten der Bratwurst übernommen. 😉
    Bis zur nächsten Laufveranstaltung, ob Dreierpack oder Salah-Cup. 🙂

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