21. November 2024

Lesen ist Silber, Laufen ist Gold

Eine Woche krank im Bett oder auf dem Sofa – da kommt man schon auf dumme Gedanken. Wie auf diesen: Wenn ich schon nicht laufen kann, dann will ich wenigstens übers Laufen lesen. Besonders viel Lese- und Laufgenuss versprechen die Laufmagazine in ihren Januar-Heften – ich ließ mir mal das Runner’s World („Das wird ihr bestes Laufjahr“) und Running („Ihre Laufbibel 2014“) mitbringen, um vollgetankt mit Läuferwissen wieder loszurennen. Hat’s geklappt? Nun denn…

Lesend zu neuen Bestzeiten - wenn's mal so einfach wäre...
Lesend zu neuen Bestzeiten – wenn’s mal so einfach wäre…

Marathon-Guide

Marathon-Termine bekommen wir an jeder zweiten Ecke im Internet hinterhergeworfen. Wenn ein Magazin mit dem Titelthema mithalten will, dann muss es mehr bieten. Running bietet Marathon-Läufe in diversen Rubriken an. Deutschland, Europa, Landschaftsmarathons, Inselmarathons, Bergläufe, Kurioses & Neues, sogar Luxemburg. Da es im Herzogtum nur einen 42,195-km-Lauf gibt, wurde hier die Seite mit allen möglichen kleineren Läufen aufgefüllt. Vielleicht komme ich ja einmal in meinem Leben nach Luxemburg? Die Einteilung wirkt etwas willkürlich, bietet aber die Grundinfos zu jedem Lauf sehr übersichtlich.

Runner’s World listet einen Marathonkalender national und international eher im Telegrammstil auf, gibt dann wirklich originelle Tipps für den perfekten Marathon. Einzelgängern wird zum Beispiel der Wendland-Marathon in Liepe (20 Finisher) empfohlen, „Mitläufern“ der Berlin-Marathon.

Haufenweise haben beide Magazine entsprechende Anzeigen von Veranstaltern gesammelt. Immerhin: Es gibt jetzt mindestens zehn weitere Läufe, die ich unbedingt mal mitmachen will. Zum Beispiel Reykjavik – ach nee, Island steht sowieso schon auf meiner Liste.

Marathon-Training

Im Prinzip wissen wir doch alle, wie man für einen Marathon trainiert, doch etwas Feinschliff können unsere Methoden doch immer vertragen. Da enttäuscht Runner’s World mich leider auf ganzer Linie. „Was zählt im Marathontraining?“, heißt es da. Und eine Seite später erfahre ich nach diversen Allgemeinplätzen, dass es leichte, mittlere und schwere Pläne von Steffny bis Greif gibt, dass man schon etwas tun muss, sich aber nicht überfordern sollte, und dass ich mir die Pläne am besten im Detail ansehen sollte, bevor ich mich für einen entscheide. Zig Seiten später wird mir noch ein Plan für die Zielzeit 3:30 angeboten. Ich sah ihn mir im Detail an – und verwarf ihn schnell.

Running dagegen bietet Tipps für „Trainingspläne in Eigenregie“ – an sich mein Reden. Schritt 1 heißt allerdings Bestandsaufnahme durch einen Laktatstufentest oder eine Atemgasanalyse. Freizeitläufer, die Laktatwerte ermitteln lassen, kommen mir ungefähr so sinnbefreit vor wie Kreisklassenfußballer, die ihre Plattfüße in den neuen Schuh von Cristiano Ronaldo quälen – das Geld gebe ich lieber für ein schönes Laufwochenende in der Ferne mit Anmeldung, Fahrt und Übernachtung aus. Okay, alle weiteren Tipps von Periodisierung bis Feintuning lese ich mir gern durch.

Tipps im Allgemeinen

Nun aber die defintiv größte Mogelpackung: „52 Tipps für 2014“, verspricht Runner’s World. Und es folgen exakt 24 Tipps, die definitiv höchstens die Inserenten begeistern können. Tipp 5 bis 7 handeln zum Beispiel davon, alte Schuhe, Socken und Bekleidung auszumisten. Aber wo sind die anderen 28 Ratschläge? Weit hinten entdecke ich zumindest „die fünf besten Marathontipps“. Die da heißen: Umfänge aufstocken, Tempotraining durchführen, konsequent trainieren, Brennstoff tanken, Testwettkämpfe absolvieren.

Und sonst?

Die übliche bunte Mischung bieten beide Hefte, wobei mir der Promi-Faktor gegenüber früheren Jahren offenbar deutlich ausgebaut wurde. Was dem einen die Mocki ist, das ist dem anderen der Fitschen. Lesenswert sind in der Regel die Reportagen über Events aus allen möglichen Winkeln der Welt, über knallharte 100-Meilen-Rennen oder legendäre Ultraläufe in Australien. Wenn ich da schon niemals starten werde, dann kann ich wenigstens darüber etwas lesen.

Ansonsten bieten beide Magazine ein paar Gymnastikübungen, Tipps zur Vorbeugung oder Vermeidung von Verletzungen, wobei Runner’s World mit dem Versprechen „Nie wieder verletzt“ mal wieder ordentlich auf die Kacke haut, um es mal vornehm zu formulieren. Schuhe werden getestet, ein paar Rezepte unters Volk gebracht – die bewährte Mischung.

Warum beide Zeitschriften aber ihre Leser mit Läuferhoroskopen quälen, wird mir ein ewiges Rätsel bleiben. Wenn ich mal Bundeskanzler werde, dann werde ich als erste Maßnahme diesen ganzen Astrologie-Quark verbieten 😉 Stiere stehen im Ruf, elende Langweiler und knochentrockene Konservative zu sein, entsprechend fallen auch die Empfehlungen für mich aus. Ich soll meine Saison planen, rät Running, und zwar im ersten Halbjahr möglichst dort starten, wo ich schon immer gestartet bin, ergänzt Runner’s World. Von wegen!

Die Moral von der Geschicht‘

Am aufschlussreichsten fand ich die Kolumnen. Achim Achilles macht sich in Runner’s World zurecht lustig über „die schlechtesten Motivationstipps aller Zeiten“, und Manfred Krämer von Runnig ruft dazu auf, Ausrüstung, Trainingspläne etc. nicht allzu wichtig zu nehmen. Sein Tipp: „Lauf einfach!“

Ja, dieser Tipp war mir die Lektüre wert. Gut, dass ich mittlerweile wieder nicht nur lesen, sondern auch wieder laufen kann.

PS: „Das wird Ihr bestes Jahr“ – dieses Versprechen schmückte auch schon die Januar-Ausgabe 2010 von Runner’s World. „Maßgeschneiderte Trainingspläne“ gab es da und außerdem „Alle Termine und Statistiken“. Nun, man kann auch das Rad nicht ständig neu erfinden…

Beitragsbild: geralt/pixabay

Ein Gedanke zu “Lesen ist Silber, Laufen ist Gold

  1. Hallo Saffti,
    ich bin heute durch Zufall auf diesen Beitrag gestoßen. Und ich kann Dir gar nicht sagen wie sehr ich Dir zustimme! Mittlerweile habe ich auch 1 1/2 Jahressammlungen Altpapier (insbesondere Runners World und Running) im Keller liegen, von daher weiss ich genau wovon Du schreibst.
    Gerade bei der RW frage ich mich immer wieder ob die derartigen Populismus wirklich nötig haben. Ständig werben die mit 837,2 Tipps wie alles besser geht und letztendlich findet man im Heft – wenn es hoch kommt – nur die Hälfte der angekündigten Ratschläge. Das ist für die größte deutsche Laufzeitschrift sicher keine gute Werbung.
    Dass sich von Jahr zu Jahr nicht wirklich neue Erkenntnisse in die Ratgeber einschleichen ist aber klar – die Materie ändert sich nun mal eher selten. Der Satz des Pythagoras (als Beispiel) besteht nunmehr auch schon längere Zeit unverändert – trotzdem muss man natürlich irgendwie die Zeitschriften voll bekommen.
    Naja, wenigstens die Kolumnen oder Gastbeiträge sind – sicherlich ebenso wie die Erlebnisberichte über außergewöhnliche Wettbewerbe – lesenswert. Aber dafür regelmäßig die Zeitschriften kaufen???Ich weiss nicht…
    Viele Grüße,
    Thomas

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