Was macht eigentlich einen besonders familiären Lauf aus? Jeder kennt jeden, man trampelt sich nicht tot, auf dem Lande geht es sowieso ein wenig gemütlicher zu. Und überhaupt kommt es gar nicht so sehr auf Plätze und Zeiten an wie ansonsten im hammerharten Alltag eines Läufers. Wenn sich 96 Mädchen und Jungen, Frauen und Männer zu gemeinsamen Runden einfinden, davon gerade einmal 41 für den „Hauptlauf“ über 8,8 Kilometer, dann darf ich guten Gewissens von einem familiären Lauf sprechen, auch wenn ich beim 8. Dahlenburger Moorlauf gar nicht jeden kannte.
„Wir sind ein kleiner Lauftreff, wollen und können gar nicht eine so riesige Veranstaltung durchführen“, sagte Edith Kolle vom DSK-Lauftreff sinngemäß. Und daher stand dort nicht dieser gnadenlose Kampf um Punkte für den SALAH-Cup an. Viele der Lüneburger Cracks blieben daher wohl ebenso zu Hause wie meine Lauf-Buddies. Kaum hatte ich mich mal unter „Düvelsbrook Dynamics“ angemeldet, kam kein einziger meiner sonstigen Mittwochs- oder Sonntags-Mitstreiter aus den Puschen. Das gibt keine Fleißpünktchen für euch, basta!
Erschwerend kam hinzu, dass in Lüneburg das Stadtfest tobte. Ich stand mir (berufsbedingt, ehrlich!) beim Public Viewing mehr als zwei Stunden die Beine in den Bauch, startete in Anschluss eine kleine Runde mit meiner Liebsten durch die City, bis auch die letzte Kombo ihre Gitarren einpackte. Klar doch, eine ideale Vorbereitung auf einen Volkslauf. Ich musste einige Runden auf dem Sportplatz drehen, um meinem Körper zu signalisieren: Komm, gleich wartet Arbeit auf dich. Seine Reaktion: Och nö, muss das jetzt schon sein?
Der verflixte erste Kilometer
Beim Start stellte ich mich kackfrech in die erste Reihe, die allerdings zugleich ungefähr die drittletzte war, und ließ mich auf dem ersten Kilometer allzusehr mitreißen. Den absolvierte ich viel zu schnell in 4:05 – wollte ich nicht eigentlich einen lässigen 4:30er-Schnitt hinlegen und die viel zu schnellen ersten Kilometer endgültig Geschichte werden lassen? Kurz überlegte ich, welche Art von Verletzung ich jetzt am besten vortäuschen könnte, dann schaltete ich zwei Gänge zurück und ließ mich gleich von einigen mehr oder weniger Bekannten überholen. Der Knut aus meiner Altersklasse zog ebenso locker an mir vorbei wie der gelbe Bienenbütteler – Stammleser können meine Frustration erahnen.
Eigentlich wollte ich ja nur eine flotte Trainingsrunde hinlegen. Ich konzentrierte mich also auf das mir bis dato komplett unbekannte Terrain. Ab Kilometer 2 liefen wir auf dem Radweg Richtung Lemgrabe. Das ist ein Ort, von dem meine Liebste ganz sicher uncharmant behaupten würde, dass sie da nicht tot übern Zaun hängen möchte. Viele Bauernhöfe, kein Mensch auf der Straße. Die Anzahl der Zuschauer an diesem Vormitag ist ohnehin steigerungsfähig. Ich zähle abzüglich der Helfer exakt einen – den Autofahrer, der unbedingt seine Ausfahrt verlassen will, als ich gerade vorbeirenne.
Eine Tüte mit Naschkram
Nach Lemgrabe geht es richtig in die Pampa über Feldwege und durch den Wald, irgendwo hier soll auch das Moor sein. Ich erahne es mehr, als dass ich es sehe. Zwei Jungs überhole ich wenigstens noch. Das gelbe Bienenbütteler Shirt tanzt wie schon häufiger gut 100 Meter vor mir herum, wird aber einfach nicht größer. Eine letzte Runde über die Bahn, und schon bin ich im Ziel. „Sie sind unter den ersten Zehn!“, ruft mir eine der Organisatorinnen begeistert zu. Ach, ich liebe diese familiären Läufe. In Rotterdam hat’s neulich nur zu Platz 2450 gereicht.
Und weil es fast so viele Sponsoren wie Teilnehmer gibt, gewinne ich sogar bei der Tombola eine Tüte mit Naschkram von ortsansässigen Betrieb. O je, hatte ich mich nicht gerade auf die Waage getraut und festgestellt, dass ich seit dem Marathon zwei Kilo zugenommen habe? Ich gönne mir noch ein Stück Schokoladenkuchen sowie eine Donauwelle, verzichte dafür auf die Bratwurst zur Abrundung. Ach, was tut man nicht alles für seinen Sport?
Weitere Fotos auf der Moorlauf-Seite des Dahlenburger SK.