3. Dezember 2024

Bloß nicht anders sein

Ein Olympiasieger, der sich anders benimmt, als sich Olympiasieger für gewöhnlich benehmen. Zwei Marathon-Läuferinnen, die lächelnd das Ziel erreichen, obwohl sie nach landläufiger Meinung versagt haben. Wer nur ein bisschen von der Norm abweicht, hat es in Rio besonders schwer. Besonders, wenn es sich um deutsche Leichtathleten handelt.

Fall 1:

Wenn die Hymne erklingt und die Fahne in die Höhe gekurbelt wird, dann hat sich ein Olympiasieger gefälligst zu benehmen. Stramm stehen soll er, möglichst ergriffen gucken und vielleicht die eine oder andere Träne verdrücken. Christoph Harting tat nichts dergleichen – und schon entrüsten sich Funktionäre und Medien. Was für eine Heuchelei.

Olympioniken müssen für hübsche Bilder sorgen und sich vorbildlich benehmen. Müssen sie das wirklich? Harting hat nicht gegen einen Fahnenmast gepinkelt und nicht seine Gegner verhöhnt. Er genoss seinen Triumph halt auf eine sehr spezielle Art. Und er hatte absolut keine Lust darauf, nur als der kleine Bruder wahrgenommen zu werden – durchaus verständlich, dass er das eine oder andere Interview verweigerte.

Christoph Harting gilt ganz anders als sein Bruder als ein introvertierter Typ – ein Charakterzug, der leicht als Arroganz rüberkommt, vor allem, wenn die ganze Welt plötzlich auf einen guckt. Doch ebenso wie Robert lässt er sich nicht verbiegen. Sportler dieser Art kann es nicht genug geben.

Fall 2:

Wenn der Schein wichtiger ist als das Sein: Anna und Lisa Hahner beendeten den Marathon auf Platz 81 und 82, Welten entfernt von der Spitze wie von ihren eigenen Möglichkeiten. Aber sie beendeten ihn lächelnd, Hand in Hand. Und ernteten damit kübelweise Kritik. „Hand in Hand geht man spazieren“, stellte Sportdirektor Thomas Kurschilgen entrüstet fest. „Inszenierung!“, schimpft Langstrecklerin Sabrina Mockenhaupt. Die ansonsten dauervergnügten Hahner-Twins sind ungewohnt still geworden.

„Unser Ziel ist es, jeden Tag mit einem Lächeln noch schneller zu werden“, lautet ein Motto der Hahners, das sich allzu verbissene Marathonis, egal, ob Profi oder Hobbyläufer, gern zu Herzen nehmen dürfen. In Rio waren beide definitiv nicht gut drauf, was gerade bei einem Hitzemarathon leicht passieren kann. Trotzdem werden sie sicher bald wieder als Stars diverser Cityläufe gefeiert und bezahlt – eher als Anja Scherl, obwohl die Hobbyläuferin die Zwillinge deutlich distanzierte.

Doch kann man den Hahners diesen Geschäftssinn vorwerfen? Wenn die 81. und 82. mehr Aufmerksamkeit erhalten als manche Siegerin, dann ist das nicht ihre Schuld, sondern unsere. Die der Medien und die der Zuschauer, denen ein Lächeln bisweilen mehr wert ist als einen Weltrekord. Irgendwie menschlich, oder?

Und die Moral?

Wer gefährdet die olympische Idee? Ein IOC-Präsident, dem Seilschaften wichtiger sind als die Glaubwürdigkeit der Spiele? Erfolgshungrige Politiker und käufliche Funktionäre, denen Fair Play am Arsch vorbeigeht? Autokraten, die sportliche Großereignisse als Propaganda-Feste missbrauchen? Oder ein Diskuswerfer, der auf dem Siegerpodest Faxen macht, und Zwillingsschwestern, die einen Marathon gemeinsam beenden?

Beitragsbild: wikimedia/Martin Rulsch

2 Gedanken zu “Bloß nicht anders sein

  1. Grade durch sein lächerliches Benehmen hat Christohp Harting klar gemacht, dass er der kleine Bruder der Hartings ist, leider ohne Niveau. Er hat die Chance verpasst sich positiv von dem abzuheben, der sein Deutschland-Trikot zerreißt.

    Bis Rio fand ich die Hahner Twins gut. Aber der Lauf geht gar nicht! Man trainiert als Sportler auf Olympia als absoluten Saisonhöhepunkt, manche schon seit Jahren, zu. Wenn man es dann nicht schafft zumindest an seine Bestleistung heranzukommen, was auch passieren kann und darf, ist man normalerweise entsprechend enttäuscht. Lächelnd Hand in Hand über die Ziellinie zu laufen und danach erst Mal ein Fototermin mit den Drillingen (ich glaube aus Lettland?) wahrzunehmen zeigt, dass man Null Respekt vor Olympia und damit auch nicht vor den anderen Sportlern hat, die Olympia sehr ernst nehmen.

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