7. Oktober 2024

Start Ziel Klischee

Es geht los mit ein paar geheimnisvollen Asiaten. Es folgt ein Ehrenmord an einer jungen Türkin mitten in Hamburg. Irgendwann verschwindet ein Fußball-Profi spurlos, der sich dann auch noch als schwul herausstellt. Auf Campingplätzen treibt es ein Unhold so wüst, bis es Tote gibt. Und mittendrin klärt eine reichlich naiv wirkende Kriminalkommissarin aus Oldenburg namens Sandra Holz ein monströses Verbrechen auf. Was hat das alles mit Laufen zu tun? „Start Ziel Tod“ – ein spannender Lesespaß über 352 Seiten, heißt es auf der Homepage des Hamburg-Marathons. Ich griff neugierig zu – und fand das Buch so schlimm, dass es fast schon wieder gut war.

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Unter dem Begriff „Heimatkrimi“ wird zurzeit allerhand gesendet und gedruckt, was nicht unbedingt mit der höchsten Krimikunst zu tun hat. Wer „Start Ziel Tod“ von Klaus E. Spieldenner zur Hand nimmt, um auch nur ein klitzekleines bisschen von der Atmosphäre des Hamburg-Marathons zu erfahren, der kann allerdings genauso gut die Bibel nach Deko-Tipps für den Weihnachtsbaum absuchen.

Exakt eines der 36 Kapitel widmet sich der langen Hamburger Runde – und das dermaßen oberflächlich, dass es weh tut. 15.000 Marathonis lassen sich beim Abholen der Startunterlagen also allen Ernstes und ohne Widerstände Blut für eine Laktatmessung abnehmen? Abends mümmeln sie alle fleißig Salatteller? Zahlreiche Läufer geben drei Kilometer vorm Ziel auf oder stürzen gar und brechen sich die Arme? Wer das schreibt, der hat nicht wirklich gut recherchiert, geschweige denn selbst einmal einen Marathon bestritten. Zudem soll ein Fußballprofi bei der Staffel für einen guten Zweck mitgelaufen sein, um noch am gleichen Tag seinen FC St. Pauli mit zwei Toren in die Relegation zu schießen. Fehlt nur noch, dass er zwischendurch eine Affäre mit Frau Holz hat, um… Ach nein, er ist ja schwul.

Auch jenseits des sportlichen Treibens quälen zahlreiche Logiklöcher den Leser. Die Türkin und der Campingplatz-Perversling haben letztlich gar nichts mit dem eigentlichen Fall zu tun, dessen Auflösung abenteuerlich unglaubwürdig ausfällt. Ja, die bösen Laktatmessungen! Stilblüten à la „Sie bevorzugte das Autofahren am liebsten in ihrem BMW Mini“ passen ins Bild, ebenso die bisweilen unglaublich zähen Dialoge in reinstem Schriftdeutsch. Wenn die Heldin gerade ihrem Kollegen das Leben gerettet hat, sagt sie: „Ich erinnerte mich schlagartig, dass der verwundete Kollege oben auf der Intensivstation auch eine Pistole gehabt hatte.“ Wunderbar, gleich perfekt ausformuliert für den Bericht.

Dass Sandra Holz zwischen Morden, Entführungen und dem Aufklären einer Weltverschwörung ganz nebenbei die Pfingsttage mit ihrem neuen Lover herumturtelt – geschenkt. Wenn ältere Autoren das Gefühlsleben von jüngeren Frauen zu beschreiben versuchen, kann das Ergebnis mitunter peinlich ausfallen. Weil Spieldenner viel zu viele Themen anreißt, keines aber wirklich tiefgründig behandelt, bleiben die meisten Figuren Klischees.

Hände weg also von diesem Buch! Vielleicht wird es irgendwann ja verfilmt, läuft auf MDR oder besser noch auf Tele5 in der SchleFaZ-Reihe mit süffigen Kommentaren von Oliver Kalkofe. 

4 Gedanken zu “Start Ziel Klischee

  1. Weißt du, was ich an diesem „Krimi“ am schlimmsten fand? Er will unbedingt witzig sein, ist es aber nicht. Nebenbei haben wir noch faule Polen im Buch, böse Tschechen, noch bösere Japaner, charmante Italiener – ja, geht’s noch?

  2. Ich komme ja leider eh nie so oft zum Lesen, wie ich gerne würde…prima, dass du mich dann auch noch vor einem Fehlgriff bewahrst – ist ja doppelt ärgerlich, wenn man die seltene Lesezeit dann auch noch mit Schrott vergeudet! 😉

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