28. März 2024

Teufelchen schlägt Teufelchen

Wenn ich laufe, dann nehme ich auf meinen Schultern oft zwei kleine Gesellen mit, die mir etwas einflüstern wollen. Engelchen und Teufelchen? Nein, zwei Teufel. Rechts sitzt der Ehrgeiz, der mir gern auch mal in den Nacken springen will, der mich antreibt: „Hol dir den Kerl vor dir. Schnapp dir die Bestzeit.“ Links aber sitzt die Faulheit, die mir einflüstert: „Komm, du willst dich doch nicht überanstrengen. Mach locker, das tut dann auch nicht so weh.“ Schön, wenn sich beide Teufel einen unerbitterlichen Kampf liefern – wie jetzt auf dem Zehner beim Deichlauf in Hohnstorf. Ein Drama in einem Akt:

Nico und ich fanden leider doch nicht gemeinsam ein Tempo - an unserem historischen Teamerfolg konnte das aber auch nichts ändern.
Nico und ich fanden leider doch nicht gemeinsam ein Tempo – an unserem historischen Teamerfolg konnte das aber auch nichts ändern. Foto: Kerstin Thomas

Anfahrt. Ich bin müde, leicht verkatert (von zwei Bier auf einer Geburtstagsparty). Der Bauch grummelt (von gefühlt einem Doppelzentner Spargelsalat). Meine Knie sind aufgeschürft (von einem kleinen Volleyballspiel im Garten). Und es verspricht, ein richtig heißer Tag zu werden. Teufel E wie Ehrgeiz legt eine CD von Kendrick Lamar ein. Ich gröhle: „Money trees is the perfect place for shade and that’s just how I feel! Yeah!“ Okay, jetzt bin ich wach. Und bemerke erst recht Kopf-, Bauch- und Knieschmerzen. Ich Jammerlappen. Teufel F wie Faulheit reibt sich die Hände. „Schön ruhig laufen, Alter“, fordert er mich auf. „Oder willst du irgendwo hinterm Deich torkelnd umfallen?“

Nein, will ich nicht. Die ersten zwei Kilometer setze ich einen Fuß vor den anderen, ohne mir groß dabei etwas zu denken. Plötzlich taucht Nico von den Dynamics neben mir auf: „Wir könnten doch ein bisschen zusammenlaufen?“ Klar doch. Ich mach‘ alles, um die noch ausstehenden 8600 Meter irgendwie halbwegs würdevoll hinter mich zu bringen. „Der ist viel zu schnell für dich“, meint Teufel F. „Lass doch abreißen.“ Ich gehorche, Teufel E schmollt.

So flink ist Nico dann aber auch nicht unterwegs, während seine Freundin Carolin ihm und mir schon längst enteilt und Richtung Gesamtsieg unterwegs ist. Ich behalte derweil Nico im Blick und finde mich sehr bald schon wieder neben seiner Seite. „Hey, du hast doch noch Reserven“, stellt Teufel E fest. Und nach einem kurzen Blick ein paar Meter weiter nach vorn: „Komm, von dem Mädel lässt du dich nicht abhängen.“

Also hänge ich mich ans Mädel dran. Sehr bald verschwindet sie aber in meinem Windschatten. Wobei sowohl Wind als auch Schatten auf dem Rückweg über die Felder nach Hohnstorf praktisch nicht vorhanden sind. Teufel F gibt zu bedenken: „Das Mädel ist bestimmt die Hauptkonkurrentin von Carolin. Du willst die doch nicht etwa ziehen?“ Quatsch, Carolin ist doch schon längst über alle (hier nicht ansatzweise vorhandenen) Berge. Ich werde trotzdem langsamer, das Mädel aber auch. Es scheint zwei Teufel der faulen Sorte mit sich herumzuschleppen.

Nur noch ein Kilometer. Vor mir taucht ein knallgelbes Shirt vom Lauftreff Bienenbüttel auf, dessen Träger mich schon bei einigen Läufen zuvor auf den letzten Metern überholt hat. „Komm, heute bist du mal dran. Zersäg ihn“, befiehlt Teufel E. Und kaum habe ich den Bienenbütteler überholt, sehe ich einen weiteren Mann, der ganz bestimmt auch in meiner Altersklasse läuft. Teufel E brüllt: „Los, krall ihn dir, bevor es auf den Sportplatz geht. Danach wäre ja unfair.“ Wo ist eigentlich Teufel F geblieben? Ich höre nichts von ihm.

Ich krall mir also auch den anderen Kerl, komme nach 48 Minuten und ein paar Sekunden ins Ziel (na ja, 58 Sekunden…) – vor einem Jahr war ich mit klarem Kopf, leerem Bauch und deutlich angenehmeren Temperaturen auch nur eine halbe Minute schneller. „Vielleicht hat’s endlich mal zu einem Sieg in der Altersklasse gereicht?“, fragt sich Teufel E mit stolzgeschwellter Brust. „Im 91. Rennen wäre es mal höchste Zeit.“ Teufel F mault nur verächtlich: „Was wäre das denn für ein geschenkter Sieg? Die ganzen Cracks aus der M50 laufen heute Halbmarathon. Und außerdem, da sitzt ja Uwe längst schon.“ Stimmt, Uwe gehört leider meiner Altersklasse an – im Gegensatz zu den beiden Kerlen, die ich mir noch geschnappt hatte. Und Uwe ist schon längst auf Runners-Smalltalk eingestellt, während ich noch japse. Wieder einmal Zweiter…

Wir klönen anschließend über übertriebenen Ehrgeiz und unrealistische Zeitziele, Teufel F ist wieder obenauf. Aber abends darf ich jubeln. Wir Düvelsbrooker haben tatsächlich die Teamwertung gewonnen – mit Carolin an der Spitze und vier Männern im Schlepptau, die auch irgendwie durchgekommen sind. „Der Bann ist gebrochen“, jubelt Teufel E. „Nächste Woche in Dahlenburg greifst du richtig an!“ Teufel F sortiert derweil schon die Geburtstagseinladungen der nächsten Tage.

 

 

 

3 Gedanken zu “Teufelchen schlägt Teufelchen

  1. Erwähnte ich schon mal, dass ich Deine Beiträge liebe? Erster Blogeintrag, den ich heute früh lese und schon hab ich ein Grinsen im Gesicht.

    Mal schauen, wohin Dich Engel E noch hintreibt.

    Gruß an Engel F

    Anja

  2. Hihi, das kommt mir irgendwie sehr bekannt vor. Ich muss aber nochmal mit meinen 2 Begleitern reden, irgendwas machen wir 3 noch falsch, denn Deine Zeit hätte doch schon längst auch mal meine sein sollen… Da hast Du 2 echt gute Einpeitscher…
    Liebe Grüße
    Elke

  3. Teufelchen E hat sich bei mir gerade bei mir gemeldet…er sagt: „Nächstes Mal zeigen wir ihm aber, wer hier flink ist !“ Mal schauen, ob Teufelchen F mitspielt ;-)…Habe mich köstlich beim Lesen amüsiert und die gemeinsame Wegstrecke mit Dir sehr genossen. Freue mich schon auf unseren nächsten gemeinsamen Lauf !

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